Neobooks - Dreck muss weg!
Seitenblick, aber sie sah aus wie immer.
»Sabine Clasen ist mit Xenia Borg zur Schule gegangen. Sie sagte, Sabine habe nach dem Abitur Ende der Sechziger bei der Stadt eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst absolviert und später als Standesbeamtin beim Bezirk Hamburg Altona gearbeitet. Das deckt sich also mit unseren Ermittlungen. Sie habe sich seit jeher ehrenamtlich engagiert. Damals für ein Mädchenprojekt ihrer Kirchengemeinde. In erster Linie ging es da um Unterstützung bei schulischen Problemen: Nachhilfe organisieren oder auch Hilfe bei Bewerbungsschreiben und Ähnliches. Aber manchmal tauchten auch Mädchen auf, die nicht mehr nach Hause zurückwollten oder konnten. Sabine habe sie dann an ihre Kollegen von den sozialen Diensten vermittelt. So habe sie auch Petra kennengelernt.«
Aschenputtel, Petra fällt Aschenputtel ein. So fühlt sie sich, und so sieht sie auch aus. Die weitläufige Treppe führt hinauf zu dem weißen Schloss mit den Säulen rechts und links vom Eingang. Petra blickt sich um. Kein junger Graf in Sicht. Doch, der Reiter mit Helm da oben auf dem Sockel. Das könnte einer gewesen sein. Petra schaut an sich hinunter. Ihre Treter sind ausgelatscht und uralt. Kein Hahn kräht nach solchen Ungetümen, und ein Graf erst recht nicht. Sie ist nicht zu retten, von niemandem. Sterben, warum nicht einfach sterben? Stattdessen holt sie sich ihre neu ausgestellte Geburtsurkunde ab. So was Bescheuertes. Lisbeth hat die Originale verschlampt. Danke, Mutter, danke. Alle in der Klasse haben längst den Reisepass in der Tasche. In zwei Monaten soll es nach London gehen, von den Landungsbrücken mit dem Schiff nach Harwich und von da weiter mit dem Bus. Zehn lange Tage. Lisbeth hatte gezetert. So viel Geld. Mit sechzehn sei sie nicht weiter als nach Aurich gekommen. Aber heutzutage müsse es ja London sein. Warum nicht gleich New York oder Sydney? Die nette Standesbeamtin hatte sich das alles anhören müssen. Ja, sie war wirklich nett. Hatte Petra ein paar Mal angelächelt, während Lisbeth sich auskotzte. Im Erdboden hatte Petra versinken wollen oder wenigstens ganz weit weg sein. Aber sie klebte auf dem Stuhl neben ihrer Mutter in diesem Behördenzimmer mit den kackbraunen Übergardinen und den Staubschichten auf den Blättern des Grünzeugs, das die Fensterbank überwucherte. Vielleicht trifft sie die Nette heute wieder. Bloß nicht zu früh freuen. Im Warteraum ist kein Mensch.
»Petra?« Die Frau mit dem Kaffeepott, sie ist es! Und sie weiß Petras Namen noch. »Kommen Sie gerne mit mir. Wir haben mittwochnachmittags eigentlich gar keine Sprechstunde.«
Petra folgt der schönen Blondine ins Büro. Der junge Graf würde sicher nicht zögern und sie auf sein Pferd bitten. Obwohl die Frau bestimmt doppelt so alt ist wie Petra.
»Setzen Sie sich.« Die Frau deutet auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Sind Sie heute ohne Ihre Mutter hergekommen?«
Petra senkt den Blick. Sie kann so schlecht lügen. »Sie ist … sie ist verhindert, ich meine, sie ist krank.«
»Eigentlich darf ich dir die Originale nicht aushändigen, ohne dass deine Mutter mir den Empfang bestätigt.« Die Frau nimmt eine grüne Mappe vom Stapel und schlägt sie auf. »Ihr versteht euch nicht so besonders, oder?« Sie schaut Petra an und lächelt.
Sie ist eine Schönheit, viel schöner als Agnetha von
ABBA
.
Petra schüttelt den Kopf. »Nicht besonders.«
Es klopft. Ein zerzauster Rübezahl steckt den Kopf ins Büro.
»Käffchen, Sabine?«
Sabine. Sie heißt Sabine. Niemals nie wird Petra ihren Namen vergessen. Sabine hebt den Kaffeepott hoch. »Danke. Hab mich schon selbst versorgt.«
»Dann will ich mal nicht weiter stören.« Und weg ist er.
Es muss ja kein Graf sein. Eine Königin ist doch viel besser. Die Königin lächelt, und Petra lächelt zurück, die staubigen Pflanzen haben rote Glockenblüten, und die Gardinen schimmern gelb wie Gold.
»Petra?«
Marga nickte und erzählte weiter: »Als Xenia Borg bemerkte, dass sie sich versabbelt hatte, versuchte sie, wieder die Kurve zu kriegen. Sie meine natürlich Gesa, wisse gar nicht, wie sie auf Petra gekommen sei. Ihre unlängst verstorbene Mutter habe auch Petra geheißen, deswegen sei sie wohl mit den Namen durcheinandergekommen. Blubb, blubb.«
»Gesa ist Petra, das wäre also geklärt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Glückwunsch, Marga.«
Wenn Marga lächelte, konnte einem echt das Herz aufgehen. Sehr süß. Ähm, ja, Kalle wollte ihr
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