Neobooks - Dreck muss weg!
Puppa in die Tasche ihrer Schürze und öffnet die Tür des Hühnerstalls. Es ist schummrig und verstaubt vom Stroh und vom Hühnermist. Theda weiß, dass die unteren Nester alle leer sind, denn sie hat heute Morgen schon die Eier eingesammelt. Sie schaut trotzdem noch mal. Der Onkel kommt rein. »Guck auch oben.«
Sie ist zu klein, um die oberen Gelege abzusuchen. Sie muss die Leiter hinauf. Das mag Theda nicht, denn die Leiter wackelt. Eigentlich guckt Lisbeth immer oben, die kann viel besser klettern als Theda. Sie stellt den Fuß auf die Holzleiter und steigt vorsichtig Sprosse um Sprosse nach oben. Er steht direkt neben der Leiter. Thedas Beine zittern. Dann kann sie nicht mehr weitergehen. Eine Hand hält sie fest. Er ist unter ihrem Wollrock. Und die Hand wühlt sich weiter bis in ihre Unterhose. Theda klammert sich an die Holme der Leiter. Eine hellbraune Feder klebt in einem Spinnennetz in der Ecke und winkt ihr zu. Das Netz bläht sich auf wie ein Segel. Vom Wind, der durch die Ritzen dringt. Der Onkel grunzt wie ein Schwein. Theda kann nicht atmen. Der alte Hühnerdung stinkt sauer und beißt in ihrer Lunge. Es brennt überall.
»Aber Sie sind gerne Landwirt.«
»Ich bin Landwirt aus Überzeugung – noch. Die Milchquote hat uns fast das Genick gebrochen. Entweder klappt es jetzt mit der Umstellung, oder ich kann den Finger heben.«
Marga überlegte. »Wenn Thedas Vater im Krieg gefallen ist, hätte Theda dann nicht Anspruch auf den Hof gehabt? Warum hat sie ihn nicht geerbt?«
Kampmann lachte auf. »Weil sie ein Mädchen war.«
Marga rollte die Augen.
»Andere Zeiten, andere Sitten«, sagte Kampmann. »Ihr Onkel, Sibos Vadder, muss wohl ein ziemlich Skrupelloser gewesen sein. Oder einfach nur pragmatisch.«
»Wieso?«
»Na ja, nachdem sein Bruder eingezogen wurde, hat er sich nicht nur den Hof, sondern auch dessen Familie einverleibt. Wenn man so will, war Sibo eher eine Mischung aus Cousin und Halbbruder zu Theda.«
»Ach«, Marga zog eine Braue hoch, »und damit war dann ein Junge da, der später den Hof übernehmen konnte.«
»Jo. Und die Schwestern gingen leer aus.«
»Schwestern?« Marga machte große Augen.
»Jo. Das waren zwei Mädels. Die Ältere soll noch blutjung nach Hamburg gegangen sein. Sibo hat sich immer köstlich drüber amüsiert, dass die eine so fromm und die andere so frech war.« Kampmann schüttelte den Kopf. »Bisschen plumpes Gemüt, der Sibo. Das wurde durch seine Vorliebe für Doppelkorn nicht unbedingt besser. Hat ihm letztendlich auch das Genick gebrochen.«
»Das plumpe Gemüt?«
»Nee. Das Saufen. Kurz nachdem ich den Hof übernommen habe, hatte er einen tödlichen Unfall mit der Silowalze.« Kampmann zuckte mit den Schultern. »Dumm gelaufen. Wie es halt manchmal so kommt im Leben.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum es für Theda Neehuis so gekommen ist?«
Kampmann rieb sich den Nacken und sah betreten aus. »Fiese Sache. Ich hätte den ollen Schuppen längst abreißen sollen.«
Marga zupfte sich an der Unterlippe. »Hat Theda vielleicht doch Besitzansprüche gestellt?«
»Neeisch. Das war früher halt so mit der Erbfolge. Der älteste Sohn bekam den Hof und Punkt.« Kampmann zeigte zum Stall. »Ich müsste weitermachen.«
»Eine Frage noch.« Peters St.-Pauli-Pulli schwamm durch Margas Gedankensee. »Thedas Schwester – lebt die immer noch in Hamburg?«
»Keine Ahnung.« Kampmann stiefelte in Richtung Stall.
»Besten Dank erst mal«, rief Marga ihm nach.
Er drehte sich um. »Was ist mit meinem Land und der Scheune?«
»Noch nicht freigegeben. Wir melden uns bei Ihnen.« Marga verließ den Hof. Der braune Jagdhund hatte sich an der Einfahrt abgelegt und schien froh, dass sie ging. Hinter Margas Stirn vibrierte es. Eine Schwester. Sie wählte Joki an.
»Ich hab den Obduktionsbericht«, sagte er, bevor sie zu Wort kommen konnte, »nu halt dich fest.«
Marga bekam einen trockenen Mund.
»Tod durch Ersticken. Das ist eindeutig.« Marga hörte Papier rascheln. »Allerdings hat der Pathologe auch Hinweise auf ein Sedativum gefunden … Moment … eine nicht unerhebliche Menge eines trizyklischen Antidepressivums mit sedierender Wirkung, das nicht zu den vom Hausarzt verordneten Medikamenten gehört.«
»Also wurde sie betäubt?«
»Gestützt auf Mittelwerte und Halbwertszeiten geht der Pathologe davon aus, dass Theda Neehuis zum Zeitpunkt ihres Verschwindens durch das Medikament ruhiggestellt war.« Wieder blätterte er. »Und es geht noch
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