Neobooks - Dreck muss weg!
gut. Rasieren hatte bis abends Zeit. Mit dem Badetuch um die Hüften tapste er über den Flur in sein Zimmer. Die frische Unterhose verströmte einen leichten Lavendelduft, Unterhemden hatte Kalle seit Kleinkindertagen nicht mehr getragen, das gebügelte Jeanshemd aus der Reinigung und Flauschsocken. Die Jeans tat es noch. Das bisschen Hygiene, und Kalle fühlte sich wie neugeboren. Eigentlich brauchte es nicht viel, um Karl-Heinz Bärwolff glücklich zu machen. Eigentlich.
»Ihr könnt mich alle mal!« Elizas Stimmung kippte.
Emma verstummte, das Beste, was sie tun konnte. Eliza und Kalle dagegen gerieten immer öfter aneinander. Er liebte seine Tochter einfach zu sehr, um sie mit der nötigen Gelassenheit auf Grenzen hinzuweisen. Diese zu überschreiten, schien für Eliza neuerdings genauso ein Bedürfnis zu sein, wie im Saustall zu hausen, der früher einmal ein freundliches Kinderzimmer gewesen war. Pubertät sei die Zeit, in der die Eltern komisch werden, pflegte seine Mutter zu sagen. Sie habe Kalles Pubertät überlebt und das gedenke sie, mit Elizas ganz genauso zu halten. Kalle zweifelte keine Sekunde daran. Seine Mutter liebte Trubel und Action, während Kalle es vorzog, seine Ruhe zu haben. Ein kühles Bier und Füße hoch – herrlich!
»Kind, dein Vater hat nun mal diesen stressigen Job. Er hat sich bei dir entschuldigt. Du kannst ihm ruhig glauben, dass es ihm unendlich leidtut, deinen Geburtstag schon wieder verpasst zu haben.«
Immer noch wie bestellt und nicht abgeholt, stand Kalle in seinem Zimmer und lauschte dem Gespräch in der Küche. Seine Entschuldigungen nutzten sich ab. Das war Fakt, dennoch konnte er es nicht ändern. Der Tod kam garantiert immer dann angetanzt, wenn Kalle seine Tasche gepackt hatte und gerade das Licht im Büro löschen wollte. Eliza heulte. Das waren keine Tränen des Kummers, das war blanke Wut. Sie schniefte und fluchte und nuschelte. Kalle verstand kein Wort, dafür hörte er seine Mutter umso deutlicher. »Schluss jetzt!«
Diesen schrillen Ton kannte er nur zu gut aus seiner eigenen Kindheit. Immer noch verursachte er Herzklopfen. Ein Gegenstand wurde in die Spüle gescheppert. Mit einem Satz stand Kalle in der Küche. »Nu mal keine Panik auf der Andrea Doria!«
»Papa!« Eliza flog ihrem Vater in die Arme.
»Moin, Herr Sohn! Zur Fütterung der Bärwölffe wünsche ich einen guten Appetit.« Emma knallte einen dritten Teller auf den Tisch.
Eliza löste die Umarmung und sah zu Kalle auf. Sie reichte ihm nicht einmal bis zur Brust. Kalle hoffte, Eliza werde noch kräftig in die Höhe schießen. Auch sonst sah sie Jay immer ähnlicher. Kalle schüttelte den unangenehmen Gedanken an seine Ex ab, gab erst Eliza einen Kuss und dann seiner Mutter, die ihm bereits die Wange entgegenstreckte.
»Wir holen es nach, wir werden deinen Geburtstag richtig feiern, Eliza. Nur du und ich. Du darfst dir alles wünschen.«
»Alles?«
Kalle drückte Eliza an sich. »Alles!«
Eliza setzte sich und häufte einen Berg Bratkartoffeln auf ihren Teller. Sie aß kein Fleisch mehr seit dem legendären Urlaub auf dem Bauernhof in Ostfriesland, als sie Zeugin des frühmorgendlichen Abtransports der Schweine zum Schlachthof gewesen war. Sie bot Kalle an, seinen Teller ebenfalls zu füllen. Er winkte ab. »Nicht so viel, ich muss um vier bei Guntbert Harfe spielen.«
Eliza verteilte Unmengen von Ketchup über die Kartoffeln, quetschte den letzten Tropfen aus der Kunststoffflasche. »Ich wünsche mir, dass du dich mit Jay wieder verträgst und ihr wie zwei Erwachsene miteinander redet.«
Alles Ketchup, alles rot. Er hätte es wissen müssen. Jetzt saß er in der Tinte, aber richtig. Elizas Augen füllten sich mit Tränen. »Du hast es mir versprochen.«
»Ja, Kalle, das hast du.« Emma hob die Gabel, als wollte sie ihm drohen.
Kalle betrachtete seine Mutter aus den Augenwinkeln. Siebzig Jahre waren scheinbar spurlos an ihr vorübergegangen. Die Falten in ihrem Gesicht waren an einer Hand abzulesen. Sie hatte Glück mit den Genen. Emma war eine ausgesprochen attraktive Frau gewesen, und sie war es immer noch. Nie hatte sie ein Blatt vor den Mund genommen. Offenbar hielt das jung und knackig. Er liebte ihre unverblümte Art, auch wenn sie ihm damit zuweilen gehörig auf den Geist ging. Sie hatte grundsätzlich das letzte Wort und wusste alles besser. Dennoch, nach Eliza war sie der wichtigste Mensch in seinem Leben. Jay hatte sich ein Jahr nach Elizas Geburt von ihm getrennt und war
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