Neobooks - Erotische Frühlingsträume
wunderbar getroffen hatte, sondern weil sie nun endlich wusste, wie
er
sie sah.
Anfang Dezember fiel der erste Schnee. In dieser Nacht beschloss Anna, die Regeln zu brechen. Lange beobachtete sie die Flocken, die gegen die Fensterscheibe flogen und dort schmolzen. Ihr Liebhaber atmete ruhig und gleichmäßig hinter ihr. Anna löste sich aus seiner Umarmung und tastete nach seinem Handy. Unter »Fremde«, trug sie ihre Nummer ein und legte es zurück an seinen Platz.
Zwei Tage später passierte etwas Eigenartiges. Bereits als Anna die Wohnung betrat, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Er rief nicht nach ihr und kam nicht, um sie zu begrüßen, doch sie spürte seine Anwesenheit.
Sie fand ihn im Badezimmer. Er saß vor der Toilette und hielt sich ein Frotteetuch vor sein rechtes Auge.
»Was ist passiert?«, fragte Anna und kniete sich neben ihn.
Er schwieg.
»Lass mich mal sehen«, forderte sie und schob seine Hand beiseite. Als er das mit Eiswürfeln gefüllte Tuch lüftete, sog Anna scharf die Luft zischen ihren Zähnen ein und biss sich auf die Lippe. »Wer war das?«
Er sah sie nur an und lächelte.
Klar, der sch … Pakt.
Anna verdrehte die Augen. »Aber warum?«
Steckte er in Schwierigkeiten? Mit einer Ecke des Tuches tupfte sie behutsam über die kleine blutende Wunde. Er hatte ein böses Veilchen; jemand hatte ihn gezielt geschlagen.
»Weil ich es verdient habe.«
Sie wusste, dass er nicht mehr sagen würde, also begleitete sie ihn stumm zum Bett, hielt das kühlende Tuch auf sein Auge und streichelte ihn, bis es dunkel wurde. Sie war der Überzeugung, dass er bereits schlief, als er plötzlich das Tuch aus ihrem Griff befreite, seine Finger mit ihren verschränkte und sie in aller Behutsamkeit küsste.
»Schlaf mit mir.«
Dieselbe Bitte wie am Tag ihrer ersten Begegnung. Anna fühlte, wie ihr Herz vor Liebe anschwoll. Sie wollte so viel mehr, als nur mit ihm schlafen. Sie wollte ihm zeigen, was sie wirklich fühlte.
Dass er ihr vertrauen konnte.
Also tat sie es. Sie liebte ihn, mit allem, was sie geben konnte. Glück breitete sich in ihr aus, als er sich bedingungslos auf ihre Zärtlichkeiten einließ. Mehr noch. Er erwiderte sie.
Kapitel 6
B leib«, flüsterte er in ihr Haar und drückte sie an sich. Anna blinzelte. Die Lichterkette in seinem Fenster, seine einzige vorweihnachtliche Dekoration, schien flackernd den Geist aufzugeben. Anna küsste seine Brust. Noch einmal sog sie seinen Duft tief ein.
»Heute nicht.« Sie hatte ihrem Vater versprochen, an einem Abend in der Woche mit ihm zu essen. Auch wenn es schon sehr spät war und sie der Bitte des Mannes, den sie liebte, nur allzu gern nachgegeben hätte, wollte sie zu ihrem Versprechen stehen.
Sein Griff lockerte sich; er seufzte. Anna erhob sich und sah auf ihn herab.
Er streckte sich, die Decke nur nachlässig über seine Körpermitte geschlagen. Sein Körper, seine Haare, noch verwuselter als sonst, sein schönes Gesicht mit dem zugeschwollenen Auge. Anna konnte sich nicht von seinem Anblick lösen.
»Was?«, fragte er mit einem unsicheren Grinsen.
Anna schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie konnte ihm unmöglich sagen, was sie empfand – und alles andere wäre eine Lüge gewesen.
Sie nahm eine heiße Dusche und schlüpfte in ihre Klamotten. Als sie zurückkam, stand er vor seiner Staffelei, die Palette bereits in der Hand, doch die Leinwand vor ihm erstrahlte noch in perfektem Weiß.
Die Jeans hing locker um seine Hüfte, sein Oberkörper und seine Füße waren nackt.
Anna schloss die Arme von hinten um seine Taille. So konnte sie fühlen, dass er ein wenig Luft ausstieß, bevor er Anstalten machte, die Palette zur Seite zu legen.
»Nein.« Anna schüttelte den Kopf. Er drehte sich zu ihr um. »Behalte sie in der Hand. Ich liebe es, wenn du malst.«
Ich liebe dich sowieso – egal, was du tust.
Er presste einen Kuss auf den Ansatz ihrer Haare und sah auf sie herab.
»Ich glaube, ich habe gerade eine neue Inspiration bekommen.«
»Davon werde ich mich sehr bald überzeugen«, erwiderte Anna und streckte sich, um noch einmal seine Lippen zu spüren. Ihre süßeste Droge.
»Also, bis bald, Fremder.«
»Bis bald, Schönheit.«
Das waren die »Namen«, die sie sich gegeben hatten.
Floskeln wie diese und die Tatsache, dass sich Anna immer häufiger auf die Zunge beißen musste, um nicht mit scheinbaren Belanglosigkeiten ihres Alltags herauszuplatzen und damit den Pakt zwischen ihnen zu verletzen, bildeten
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