Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
teilnahmslose Blick eines Totschlägers.
»Nun sag mir, wer bist du?«, klirrte der Priester.
»Walter Vogelsang«, antwortete Walter mit trockener Stimme.
»Aber du bist nicht Weber!«, fauchte der Priester.
»Doch«, versicherte Walter und erhielt prompt einen kräftigen Schlag auf den Kopf.
»Ich will die Wahrheit wissen.«
»Ich bin Weber aus Waldoria«, jammerte Walter. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, der Kopf brummte von dem Schlag, sein Magen krampfte vor Hunger, und seine Zunge fühlte sich an wie ein trockener Lappen. Er wusste, dass er bald noch mehr Schmerzen ertragen musste, aber er war fest entschlossen, an seiner Geschichte bis zum Schluss festzuhalten. In den einsamen Tagen in seiner Zelle hatte er sie sauber ausgebaut und sie sich so oft erzählt, dass er beinahe selbst schon daran glaubte.
Der Totschläger kam um den Stuhl herum, griff nach einer Zange und klapperte damit vor Walters Gesicht. In seinen toten Augen glitzerte ein Hauch von Vorfreude
»Ich habe Tuch in die Burg gebracht, als ich den Lehrer im Burghof liegen sah …« Walter konnte seinen Blick nicht von der Zange abwenden. Langsam, wie in einem furchtbaren Alptraum, näherte sie sich seiner Hand. Walter versuchte eine Faust zu ballen, doch die Pranke seines Peinigers presste seine Hand gegen das Holz der Armlehne. Das kalte Metall der Zange berührte seine Haut und biss sich an seinem Fingernagel fest. Walter schrie vor Schmerz, als sich der Nagel nach und nach aus dem Nagelbett löste und das blutige nackte Fleisch zurückließ.
»Wenn du keine Fingernägel mehr hast, sind deine Füße dran«, sagte der Priester im Plauderton. »Es gibt auch Körperteile, auf die du ganz verzichten kannst.« Seine kalten Augen starrten in Walters Schritt, und ein höhnisches Lächeln lag um seinen Mund.
»Wer war bei dir?«
Walter antwortete nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen wartete er auf den Schmerz. Aus seiner Angst wurde Hass, der ihm in den Ohren rauschte. Gnadenlos und unerbittlich fiel ein Nagel nach dem anderen, aber Walter schwieg und hasste. Von seinem Leben und seinem Körper hatte er sich verabschiedet. Er sah nur den erregten Blick des Priesters, der sich an Walters Schmerzen weidete, die Gleichgültigkeit in dem Gesicht seines Schänders, und er wünschte ihnen jeden Dämon an den Hals, von dem er im Laufe seines Lebens gehört hatte. Er stellte sich vor, wie sie in Scheibchen geschnitten über dem Höllenfeuer brodelten …
»Genug, er hat genug gelitten.«
Der Priester machte seinem Gehilfen ein Zeichen, und der verließ den Raum. Dann hantierte er irgendwo hinter Walters Rücken mit Flaschen und Krügen. Als er schließlich zu ihm kam, hatte er ein teuflisches Glitzern in den Augen.
»Jetzt wirst du mir die Wahrheit erzählen«, sagte er kalt.
Mit einem scharfen Gegenstand, durchtrennte er eine Fessel, packte die geschundene Hand und tauchte die nagellosen Fingerspitzen in eine Schale mit gallertartiger Flüssigkeit. Der unerwartete Schmerz war übermächtig, und Walter verlor das Bewusstsein. Aber nur kurz. Ein Fläschchen mit Riechsalz und ein Becher kaltes Wasser, der ihm ins Gesicht geschüttet wurde, brachten ihn zurück, in ein Leben von dem er nur noch wünschte, es wäre endlich vorbei. Nach und nach breitete sich ein Nebel in seinem Kopf aus, und er versank in Willenlosigkeit. Nur noch schemenhaft nahm er seine Umgebung wahr, und er spürte eine tiefe innere Gleichgültigkeit. Er hörte sich selbst von seinem Leben in der Burg erzählen. Von Beinhart und Theophil, von seiner Flucht durch die Metzgerei. Er nannte Namen und Orte. Er wusste, dass seine Worte Elend und Verderben über jeden brachten, den er erwähnte, aber er war unfähig, damit aufzuhören. Plötzlich wurde er vom Stuhl gerissen. Walter erkannte den Totschläger wie einen alten Freund, als dieser seine Hände vor dem Bauch fesselte und ihn anschließend achtlos zu Boden fallen ließ. In seinem Kopf drehte sich alles wie nach einer Nacht mit zu viel Bier und Wein. Nur langsam nahm er seine Umgebung wieder wahr und begann klarer zu denken. Er wischte sich den letzten Rest der klebrigen Masse von seinen Fingern. Herzschlag für Herzschlag wurde ihm bewusst, was er soeben angerichtet hatte. Dumpfe Verzweiflung ergriff von ihm Besitz.
***
Die Mittagssonne brannte heiß und unerbittlich.
»Dort liegt Saulegg.« Leron’das deutete mit dem Finger auf eine gedrungene Kirchturmspitze, die zwischen zwei Hügeln hervorblitzte.
»Das Ziel«, sagte
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