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Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)

Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)

Titel: Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hornung
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musste er zugeben, dass er den frischen Abendwind im Gesicht brauchte, um etwas Abstand zu den Ereignissen des Tages zu bekommen. Er hatte sich hinter seine Frau gestellt, weil ihm sein Verstand sagte, dass sie recht hatte, aber in seinem Innersten war er zerrissen. Er hatte gelernt und es in jeder Faser seines Körpers verinnerlicht, dass es die Pflicht des Mannes war, sein Haus, seinen Hof und sein Weib zu schützen, und nun hatte sie ihm erklärt und bewiesen, dass sie das auch konnte. Er dachte, er liebte ihre Unabhängigkeit, ihre praktische Art zu denken, ihre Stärke, aber er hatte all diese Dinge immer nur im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Frau und Mutter gesehen. Es war gut gewesen, zu wissen, dass sie das Haus und die Bediensteten in seiner Abwesenheit im Griff hatte und auch ab und an eine notwendige Entscheidung treffen konnte. Heute hatte sie ihm gezeigt, dass sie mehr als das konnte. Ihr mildtätiges Herz hatte den Flüchtlingen Zuflucht gewährt, doch dann hatte sie die Organisation nicht etwa in die Hände eines erfahrenen Mannes gelegt, sondern sie an sich gerissen und einen Plan ersonnen, der ebenso effizient wie haarsträubend war. Ohne Zweifel könnte sie sich auch um die Belange des gesamten Moors kümmern. In seiner Abwesenheit hatte sie, trotz vieler Arbeit, den Umgang mit dem Bogen erlernt und es ihm stolz gezeigt. Dreimal hatte sie die Mitte der Zielscheibe getroffen, ehe er ihr die Waffe aus der Hand nahm.
    Agnus hatte Angst. Er hatte sogar wahnsinnige Angst davor, dass sie ihn nicht länger brauchte. Er war das Familienoberhaupt, ihr Beschützer … er war ein entthronter König! Wie konnte sie ihn überhaupt noch lieben, wenn sie ihn nicht brauchte? Zu wem sollte sie aufsehen, wenn sie alles, was er konnte, auch tat? In gewisser Weise verstand er Lucius und die anderen Zweifler. Was würde geschehen, wenn die Frauen ihren angestammten Platz verließen? Würden irgendwann die Männer das Feuer und die Kinder hüten, während die Frauen auf die Jagd gingen?
    Agnus lächelte grimmig, denn er kannte keinen Mann, der es mit zwanzig quirligen Kindern aufnehmen konnte.
    Er zügelte sein Pferd.
    »Reitet weiter Männer, ich muss zurück!« Damit wendete er den schwarzen Hengst.
    Es gab immer noch eine Sache, bei der er seine Männlichkeit unter Beweis stellen konnte, und zwar nicht, indem er über dunkle Straßen ritt und mit dem Schwert rasselte, sondern zwischen Kissen und Decken ganz nah bei seiner Frau.

    In den kommenden Tagen war Agnus viel unterwegs. Oft saß er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Sattel und ritt von Dorf zu Dorf, um seinen Untertanen zu zeigen, dass er Anteil an ihrem Schicksal nahm und sie unterstützte, wenn sie Hilfe brauchten. Er suchte einen geeigneten Platz für ein weiteres Kinderlager und half tatkräftig mit, wo immer Not am Mann war. Er staunte über den Einfallsreichtum der Leute, wenn es darum ging, Fallen zu bauen, und dachte sich auf seinen Ritten selbst immer neue aus. Gerne wurden solche Ratschläge aufgenommen.
    Die Reaktionen auf seinen Erlass, die Frauen in der Kampfkunst zu unterweisen, waren unterschiedlich. Vielerorts wurde dies begrüßt, denn die meisten Männer waren zum Umfallen müde und gerne bereit, einen Teil der erdrückenden Verantwortung abzugeben. Abgesehen davon war es ohnehin schon so, dass viele Frauen nachts bei dem Vieh Wache hielten, sich im Ernstfall aber nicht angemessen verteidigen konnten. Oft sah er aber auch Unverständnis und Zorn in den Gesichtern seiner Untergebenen, und nicht selten weigerten sich Frauen, ein Schwert oder einen Bogen anzufassen.
    Umso weiter Agnus nach Süden kam, desto verheerender wurde die Lage. Kleinere Dörfer waren bereits völlig verlassen und verwahrlost. Felder waren verwüstet, tote Rinder und Schafe lagen allerorts herum und verwesten in der Sommersonne. Immer wieder wandte sich Agnus angewidert ab, denn viele der Tiere waren im Blutrausch niedergemetzelt worden.
    In den Dörfern, die noch bewohnt aussahen, zeigte sich kaum ein Mensch auf den Straßen und Stegen. Agnus musste an die Türen klopfen und um Einlass bitten, wenn er mit seinen Untergebenen sprechen wollte. Je mehr Geschichten er hörte, umso sicherer war er, dass es ein Fehler gewesen war, zum König zu reiten, vielmehr hätte er nach dem Rechten sehen müssen, bevor der Schrecken eine solche Gestalt annehmen konnte. Doch für diese Vorwürfe war es jetzt zu spät. Nun galt es zu retten, was zu retten war.
    Am siebten Tag sah

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