Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
den Bauch. Ich dachte mir noch, kann denn keiner von denen schießen? , da erst bemerkte ich, dass der König selbst zu den Jägern gehörte.« Die Mutter zog scharf die Luft ein, aber der Vater redete weiter. »Die ganze Jagdgesellschaft preschte dem Bock hinterher in den Wald. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und zu meinem versteckten Wagen zurückgehen, als ich in der Ferne ein Horn blasen hörte.
Augenblicklich donnerten die Reiter wieder über die Lichtung zurück und entfernten sich nach Norden.« Phine gab einen erstickten Laut von sich, aber Feodor lächelte sie besänftigend an. »Als sie weg waren«, fuhr er fort, »habe ich mir meinen Wagen geschnappt und bin tiefer in den Wald hinein gelaufen. Immer noch konnte ich die Jäger hören, sie schienen überall zu sein. Mir blieb nur ein Weg, und der führte mich in den Alten Wald.«
Philip beugte sich nach vorn und lauschte gespannt.
»Als die Bäume größer wurden und es keinen Busch mehr gab, in dem ich mich hätte verstecken können, beschloss ich, einen Haken nach Süden zu schlagen, um einen sicheren Weg aus dem Wald zu finden. Süden war eine gute Richtung, die Geräusche wurden immer leiser.« Feodor machte eine kurze Pause, um einen Schluck von seinem Tee zu trinken. »Es war schon hell, da hörte ich plötzlich ein Kind weinen. Ich bin dem Geräusch gefolgt, und da lag sie. Ihr Atem war so flach, dass ich im ersten Moment glaubte, sie wäre tot. Als ich sie auf den Wagen heben wollte, wachte sie auf. Sie hat sich verzweifelt gewehrt, aber dann hat sie wieder das Bewusstsein verloren, und ich hab sie mitgenommen. Ich habe versucht, nicht den Jägern des Königs in die Arme zu laufen. Das hat fünf Stunden gedauert, bis ich in der Schmiede war. …« Erschöpft strich sich Feodor über die Augen. »Den Rest der Geschichte kennt ihr ja.«
»So weit drin im Wald bist du gewesen?« Phines Stimme klang besorgt und vorwurfsvoll.
»Der Wald ist bei weitem nicht so wild und gefährlich, wie alle hier zu glauben scheinen, er ist bloß alt, sehr alt. Aber wenn die Sonne scheint, sind auch die Bäume viel besser gelaunt.« Feodor lächelte sie zärtlich an. Phine nahm seine Hand und presste sie an ihre Lippen. Philip sah verschämt zur Seite – was für ein verwirrender Tag.
»Philip! Du warst mir und deinem Vater eine große Hilfe. Der heutige Tag war für uns alle eine Herausforderung. Danke«, sagte seine Mutter milde.
Er wehrte ab, freute sich aber trotzdem über das Lob. »Andere machen eine Lehre oder sonstige Arbeiten, um Geld zu verdienen, während ich noch bei Theophil zur Schule gehen darf …« Weiter kam er nicht, denn Phine schlang beide Arme um ihn und drückte ihn fest an ihre Brust.
»Du bist klug und sollst die Möglichkeit haben, so lange wie möglich zu lernen. Dein Vater und ich haben beschlossen, dass du nach diesem Schuljahr ins Monastirium Wilhelmus gehen sollst, um deine Studien fortzusetzen. Was denkst du?«
Philip war sprachlos. Vom Monastirium Wilhelmus träumte er schon seit Jahren, die größten Gelehrten hatten dort studiert. Im Moment hatten sie doch wirklich andere Sorgen. Wie konnte seine Mutter jetzt an solche Dinge denken?
»Aber«, stammelte er. »Das ist doch so teuer … und wer passt auf die Kleinen auf, wenn ich nicht da bin … und sie …«
»Ach Junge…«, sagte Feodor. »Lass uns morgen noch einmal in Ruhe darüber reden. Heute ist es spät, und morgen wird ein langer Tag. Lasst uns ins Bett gehen.«
Phine räumte die Teetassen in den Spülstein. »Ich werde noch einmal nach Jar’jana sehen und dann versuchen, ein paar Stunden zu schlafen.«
»Darf ich mitkommen?«, fragte Philip scheu. Seine Mutter nickte und verließ die Küche.
»Gute Nacht«, sagte Feodor und machte sich auf den Weg in sein Schlafgemach.
Jar’jana bewegte sich nicht, als die beiden das Zimmer betraten. Das viel zu weite Nachthemd von Phine tat ihrer überirdischen Schönheit keinen Abbruch. Philip blieb in der Tür stehen. Seine Mutter ging zu dem Bett hinüber und setzte sich auf die Bettkante. Ihre Hand tastete nach der Stirn, dann beugte sie sich zu dem Kind, das mittlerweile in der Wiege neben dem Bett lag.
Plötzlich raschelte es im Bett, und ihm wurde heiß und kalt. Jar’jana hob den Kopf. Ihr Haar floss wie ein Wasserfall über ihre Schulter, als sie sich auf den Ellbogen stützte und in die Wiege sah.
»Ihr solltet versuchen, sie anzulegen«, sagte Phine leise, dann drehte sie sich zu Philip um und machte ihm ein
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