Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
Gemurmel.
»Elben?«
»Was soll das denn sein?«
»Märchengestalten.«
»Feen.«
»Kindsräuber.«
»Erntenverflucher.«
Zeichen zur Abwehr von Gefahren und bösen Geistern vermischten sich mit lautstarken Diskussionen. Frauen weinten, weil sie bereits ihre Männer in der Armee des Königs für immer verschwinden sahen, und andere jammerten, weil ihnen die Lehrlinge und Hilfskräfte abhandenkommen würden.
Über all dem Durcheinander trafen sich die Blicke von Theophil und Philip. Mit der gleichen Vehemenz, mit der sich der Lehrer schon vorher durch das Gedränge geschoben hatte, arbeitete er sich nun auf Philip zu. Energisch packte er ihn am Arm und zog ihn mit sich fort.
Er schob ihn bis in die Studierstube und verrammelte Türen und Fenster. Im Halbdunkel zündete er die an der Wand hängende Öllampe an.
»Das Buch?«, fragte er atemlos. »Ist es sicher?«
Philip nickte.
»Niemand darf je etwas davon erfahren«, mahnte der Lehrer streng.
Philip senkte den Blick, und Theophil packte ihn an beiden Schultern.
»WER weiß davon?«
»Mutter und Vater«, gestand er kleinlaut. Theophil ließ ihn los.
»Gut, gut …«, murmelte er, dann sah er Philip eindringlich an. »Niemals, hörst du, niemals darf jemand anderer erfahren, dass es dieses Buch gibt. Du wirst es verstecken. Deine Eltern sollen dir dabei helfen. Hol es nicht wieder aus seinem Versteck, bis dieser Spuk vorbei ist, aber bewahre es gut, es darf nicht verloren gehen.«
»Herr Lehrer … wir …«
»Dieses Buch ist sehr wichtig für mich, es ist ein Erbstück. Mein Urgroßvater hat es geschrieben … es ist sein Vermächtnis. Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet er sie verraten würde, wo er doch ihr Freund war … der Schlüssel … wir sind doch die Einzigen … Alles muss weg … Wie kommt bloß dieser Emporkömmling von König dazu …« Theophil setzte sich auf seinen Sessel und vergrub das Gesicht in den Händen.
Philip stand immer noch stocksteif an der Stelle, an der Theophil ihn hatte stehen lassen.
Zögernd fing er zu sprechen an. »Herr Lehrer Theophil …«
Theophil hob langsam seinen Kopf.
»Wusstet Ihr, dass es Elben gibt?«
»Hätte ich dir sonst dieses Buch gegeben?«, antwortete der Lehrer unwirsch.
»Aber …«
»Da gibt’s kein Aber«, bestimmte Theophil.
»Niemand sonst glaubt, dass es sie gibt«, behauptete Philip stur.
»Du hast doch selbst gesehen, dass dem nicht so ist. Dein König glaubt, dass es sie gibt. Behauptet, dass sie das Land zerstören wollen.« Philip war versucht, sich zu verteidigen, doch die Fragen, die ihn bedrängten, waren dringender als der Abscheu, den die herausgewürgten Worte »dein König« bei ihm auslösten.
»Warum sagt der König dann, sie wären eingedrungen? Wohnen sie nicht schon immer hier?«
»Woher soll ich wissen, was in dem kranken Hirn des Königs für Gedanken lauern«, bellte Theophil aufgebracht. »Ich werde es dir jetzt ein einziges Mal sagen. Ich weiß genug über Elben, um mit Sicherheit sagen zu können, dass sie weder nach unserem Land noch nach unserem Leben trachten. Wir leben seit tausend Jahren in ihrem Land, und sie haben es nie zurückgefordert. Friedfertigkeit ist eine ihrer herausragendsten Eigenschaften. Selbst wenn es um mein Leben ginge, würde ich dem König nicht bei seiner Suche behilflich sein.«
»In unserem Haus wohnt eine Elbin mit ihrem Kind«, platzte Philip heraus. Als ihm bewusst wurde, was er getan hatte, begann sein Herz zu rasen.
»Du machst Scherze«, sagte Theophil.
»Nein, ich scherze nicht. In unserem Haus wohnen seit drei Tagen eine kranke Elbin und ihr Neugeborenes.«
»Oh mein Gott.« Er sah Philip mit großen Augen an. In seinem Gesicht spiegelte sich eine Vielzahl von Gefühlen, und er rang nach Worten. »Darf ich sie sehen, ich muss mit ihr sprechen … mein Leben lang habe ich darauf gewartet … wie kam sie zu euch …«
Philip begann zu erzählen. Theophil lauschte wie ein aufmerksamer Schüler. Nur hin und wieder stellte er Zwischenfragen. Als Philip seine Geschichte beendet hatte, saßen sie sich schweigend gegenüber. Theophil sagte:
»Du hast recht. Du solltest sie nach Hause bringen. Nur dort kann ihr wirklich geholfen werden. Aber es wird nicht leicht. Schon mein Urgroßvater konnte die Pfade von Pal’dor nicht alleine finden, und auch ich habe es bereits des Öfteren erfolglos versucht. Aber …«, er sah Philip prüfend an, »es ist wichtiger als je zuvor, nach Pal’dor zu gelangen. Und es ist gefährlicher.
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