Neonazis in Nadelstreifen
Vereinsmitglieder, hilfsbereite Elternvertreter und zupackende Sportfreunde anzudienen. Auf Nachfrage erklärt Köster gern: »Nationale Menschen sind in Lübtheen in der Mitte des Volkes«, und schildert, wie man sich durch das alltägliche Miteinander – auch über die Kinder – nähergekommen sei: »Lübtheener pflegen freundschaftliche Kontakte zu der nationalen Opposition«, meint er. Und Udo Pastörs ergänzt: »Hier wächst eine Kernmannschaft der nationalen Opposition zusammen mit den Menschen, die hier leben.«
Jeden Donnerstag ist das Bürgerbüro der Neonazis geöffnet. Wer will, kann telefonisch einen Termin vereinbaren. Glaubt man Passanten, dann gehen da auch Leute hin. »Die lassen sich dort wohl beraten, helfen.« Die »Verbürgerlichungsstrategie ging auf«, konstatiert Karl-Georg Ohse vom Mobilen Beratungsteam für Demokratie und Kultur. Die NPD verfüge in dem Bundesland längst über eine Stammwählerschaft, sagt er. »Die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber rechtsextremen Inhalten wächst stetig.« Ute Lindenau, Bürgermeisterin ( SPD ) in Lübtheen, gibt offen zu: »Anfänglich haben wir nicht bemerkt, dass das Rechte sind.« Das sei inzwischen anders. Längst versucht eine Bürgerinitiative »Wir für Lübtheen« dieser Entwicklung entgegenzutreten.
In der 300 Kilometer entfernten Region Anklam gelang es Michael Andrejewski, die NPD zu etablieren. Vor Ort bot der jetzige NPD -Landtagsabgeordnete lange vor der Landtagswahl eine – wie er es nennt – »Lebenshilfe« an. Einmal im Monat lädt der Jurist zur Hartz- IV -Sprechstunde in Ueckermünde ein. Gemeinsam mit den Kameraden bemüht sich Andrejewski, der seit 2004 außerdem im Kreistag Ostvorpommerns sitzt und Stadtvertreter in Anklam ist, die Partei weiter zu verankern. Der»Landtagszirkus«, sagte er der »tageszeitung«, sei für ihn Nebensache. Seine Wähler interessierten sich ohnehin kaum für die Parlamentsarbeit, »die sind zufrieden, wenn wir denen in Schwerin mal ordentlich die Meinung geigen«.
Schon 1992 war er in der »nationalen Opposition« aktiv. Im August schaute die Weltöffentlichkeit entsetzt nach Rostock-Lichtenhagen. Dort attackierten Hunderte Menschen mehrere Tage lang das mehrgeschossige »Sonnenblumenhaus« im Hochhausviertel. Tausende Anwohner applaudierten, als dort gegen Menschen in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber Molotowcocktails flogen. Im Vorfeld der ausufernden Krawalle waren fast 100 000 Flugblätter vor Ort verteilt worden. Unter der Überschrift »Widerstand gegen die Ausländerflut« hieß es hetzerisch: »Heute haben wir sechs Millionen. Sie nennen sich Einwanderer und erzählen uns, Deutschland gehöre jetzt ihnen.« Das Flugblatt wurde von einer Aktion Rostock bleibt deutsch herausgegeben – verantwortlich dafür war Michael Andrejewski. Mit den fürchterlichen Folgen will der NPD -Kader jedoch nichts zu tun haben. Im Deutschland Radio erklärte Andrejewski am 24 . August 2007 zum Flugblatt ausweichend: »Da wird kein Bezug genommen auf dieses Asylbewerberheim, es wird nur generell von Ausländern gesprochen, es wird zur Gründung einer Bürgerinitiative aufgerufen, es wird überhaupt nicht zur Gewalt aufgerufen.«
In Anklam gelang es Andrejewskis Wahlkreismitarbeiter unlängst, einen ehemaligen »Konsum«-Laden in der Innenstadt mitzukaufen. Bei der Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht soll Alexander Wendt als Bieter nicht aufgefallen sein. Im Nachbarort Salchow betreibt er seit Jahren ein »Nationales Wohnprojekt«. Genau dort hat Michael Andrejewski sein Wahlkreisbüro eröffnet. Der Wahlerfolg macht’s möglich. Mit den staatlichen Geldern kann die NPD nun die langfristige Strategie der kommunalen Verankerung vorantreiben. Jährlich erhält die Fraktion 1 275 210 , 60 Euro. Geld, mit dem sie zwölf Kameraden einstellten – Kader, die meist noch andere Funktionen haben und so finanziell abgesichert werden. Das nationale Versorgungsnetzwerk läuft auch in Dresden bestens. Den acht NPD -Abgeordneten stehen dort monatlich 109 040 Euro zur Verfügung. Parteifunktionäre wurden angestellt, und Theoretiker der »Neuen Rechten« konnten für die intellektuelle Aufrüstung gewonnen werden. Bis zur Hälfte ihrer Diäten sollen Mandatsträger der Partei spenden.
In Schwerin hält Udo Pastörs nicht nur mit der Anstellungspraxis, was er seinen Kameraden im Wahlkampf versprochen hat: ein enges Zusammenspiel von »nationaler Parlamentsfraktion« und »nationaler
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