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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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der neonazistischen HDJ berichtet und diese seit Jahren im Verborgenen agierende Organisation damit ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Deren Anführer sind nach eigenen Angaben angetreten, um »wieder eine saubere Jugend zu formen«. Mit Fahrten, Zeltlagern, Ausmärschen, Wettkämpfen und ideologischen Schulungen soll Sieben- bis 29 -Jährigen eine »heimat- und volksbewusste Einstellung« vermittelt werden. Die Organisation ist bundesweit aktiv; die Berliner Senatsverwaltung geht inzwischen von einem Personenkreis von rund 400 HDJ -Anhängern aus, in der Schätzung sind die Mitglieder des der HDJ angegliederten Familien – und Freundeskreises ( FFK ) nicht enthalten. Hunderte von Kindern durchlaufen seit Jahren ihre militärisch geprägten Lager. Der HDJ -Bundesführung unter Sebastian Räbiger aus Reichenwalde im Landkreis Oder-Spree und Holle Böhm aus Hohen Neuendorf bei Berlin obliegt nach eigenen Angaben die Aufgabe, »der Kopf und das Herz dieses Organismus zu sein und das Wollen in die gewünschte Richtung zu lenken«.
    HDJ -Führer übernehmen für zahlreiche Familien aus dem braunen Spektrum erzieherische Verantwortung, selbstbewusst versucht die Organisation auch an neue Familien außerhalb des gewohnten Spektrums heranzutreten und deren Kinder anzulocken. Mit einem Anfang 2008 im Internet veröffentlichten Werbevideo gehen sie gezielt auf Nachwuchsfang. An jedem zweiten bis dritten Wochenende finden in der Bundesrepublik Lager der Heimattreuen Deutschen Jugend statt. Ihre zweifelhaften pädagogischen Ziele werden im Kalender »Unser Leben 2008 « offengelegt: »Volksbewusstsein in jedem Einzelnen zu formen« habe oberste Priorität. Bereits Kindern und Jugendlichen solle klarwerden, dass es sich bei der eigenen Weltanschauung um etwas »organisch Gewachsenes« handele. Ebenso wichtig sind für die Neonazi-Erzieher die »Ideale der soldatischen Erziehung«. Schon Kinder werden als »Kameraden« bezeichnet, mit »Heil Dir« begrüßt und zu Disziplin und Gehorsam genötigt. »Wir verachten den schwächlichen, erniedrigenden Pazifismus«, heißt es in der Selbstdarstellung, »ihm stellen wir ein stolzes und wehrhaftes Mannestum entgegen!«
    Streng nach Geschlechtern getrennt, treten denn auch schon die Kleinsten zum »germanischen Wettkampf« in Eschede an. Begriffe wie »körperliche Ertüchtigung« fallen ebenso häufig im Umfeld der HDJ wie der Satz: »Die Kinder sollen abgehärtet werden.« Bundesführer Sebastian Räbiger spricht sogar von einer »Sturmjugend«, die er heranbilden möchte. Beschwörend schreibt er in der organisationsinternen Publikation »Funkenflug«: »Wenn für Dich Dein Volk alles ist und Du bereit bist, für das, was Du liebst, aufzustehen, alles zu wagen und zu kämpfen, dann ist Dein Platz bei uns!«
    Im Sinne neonazistischer »Volksgemeinschaft« ist die Erziehung von Kindern und Jugendlichen stets Gemeinschaftssache, denn: »Wo keine Führung, da keine Gemeinschaft, da keine Erziehung.« Individuelles Verhalten, Kreativität und Kritikfähigkeit – alles Begriffe, die zur größten deutschen Neonazi-Jugendorganisation nicht passen. Nach der Parole »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« wird in der HDJ gelebt, und was Gemeinnutz ist, gibt die Organisation vor. Zur ideologischen Weiterbildung der Kinder gehören neben Mut- und Messerproben, Geländespielen und Orientierungsmärschen auch Luftgewehrschießen und militärisches Heldengedenken. »Lagermannschaft aufstehen, fertigmachen zum Frühsport«, ertönt eine Stimme nach dem morgendlichen Fanfarenruf.
    Auch in Eschede geht es recht militärisch zu, wie einer der anwesenden Polizisten bestätigt. Trotz des von den Behörden kurzfristig erlassenen Uniformverbotes tragen viele beim Zeltlager uniformähnliche, altmodische Kleidung, dunkle Jungenschaftsjacken, genannt Juja, sogenannte Grauhemden, schwarze Zunfthosen, und die Mädchen sind in bodenlange Röcke und weiße Blusen gekleidet. Schon die Kinder müssen zum Fahnenappell antreten. Sie sind gedrillt worden, sich in Reih und Glied aufzustellen, während einer der Anführer strenge Aufsicht führt. »Laute Befehle waren zu hören«, erzählt der Beamte. Germanische Riten und soldatisches Reglement gehören zum Alltag in den Kinderlagern der HDJ .
    Nach eigenen Angaben feiert der beim Amtsgericht in Plön angemeldete Verein sein 16 -jähriges Bestehen. Teile der Gruppe gelten als Abspaltung des extrem rechten Bundes Heimattreuer Jugend ( BHJ ), eine andere, weitaus

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