Neongrüne Angst (German Edition)
überhaupt nicht mit der Situation umgehen, du hast ihn mit deiner Energie in die Flucht geschlagen.«
Jetzt packte er den Tisch und schob ihn zur Wand. Johanna versuchte, ihn daran zu hindern und weiterhin den Tisch als letzten Schutz zwischen sich und Pit zu halten, doch das ging nicht gut für sie aus, denn jetzt war sie zwischen Tisch und Wand eingeklemmt.
»Noch ist nichts wirklich Schlimmes passiert, Pit. Wenn du mich jetzt gehen lässt, werde ich niemandem etwas davon erzählen. Es kann unser Geheimnis bleiben. Es …«
»Du wirst nirgendwohin gehen. Du verlässt mich nicht mehr. Wenn alle Stricke reißen, dann sterben wir beide wie Romeo und Julia. Ein Selbstmord. Arm in Arm werden sie uns finden, oben auf dem Bett. Vielleicht sollten wir noch Blütenblätter verstreuen, und dann – du hast die Wahl, Prinzessin – Gift? Oder schneiden wir uns«, er hielt seinen Arm hoch, »die Pulsadern auf? So könnten wir noch Blutsbrüderschaft feiern. Bestimmt kann man sich auch mit Tili umbringen, wenn die Dosis hoch genug ist.«
Er redete sich in Rage. Dabei drückte er nicht mehr so heftig gegen die Tischkante. Er lachte. »Welch ein Tod! Aber das mit dem Blut ist dramatischer, findest du nicht? Sie werden über uns Bücher schreiben. Wir werden berühmt werden. Das große Bremerhavener Liebespaar.«
»Einen Scheiß werden wir!«, schrie Johanna, stemmte beide Fäuste unter die Tischplatte und hob sie hoch. Der Tisch flog in Pits Richtung. Dabei hätte sie fast das Brotmesser verloren.
Sie schaffte es, aus der Küche zu entkommen. Es gab hier unten einen Wohnraum mit Fernseher und Ledersitzgarnitur. Auf dem Fensterbrett standen fünf leere Blumentöpfe. An jeder Ecke des Fensters ein armlanger Bogenhanf.
Johanna packte den größten Blumentopf und warf ihn gegen die Fensterscheibe. Doch zu ihrer Verblüffung federte der Topf zurück und zerschellte dann auf dem Boden. Die Scheibe aber blieb heil.
Hatte dieser Wahnsinnige hier Sicherheitsglas eingebaut? Mit großer Wut nahm sie eine schwere Kristallblumenvase aus dem Wohnzimmerschrank, und damit gelang es ihr, die Scheibe zu zerbrechen.
Um Pit zu entkommen, nahm sie Anlauf und sprang durch das Loch in der Scheibe. Aber große Splitter ragten wie Schwertspitzen aus dem Fensterrahmen, und einer davon schnitt in Johannas Schulter.
Sie stürzte in den Vorgarten und verlor das Bewusstsein.
71
Es war 5.30 Uhr, als Leon in Ganderkesee auf die B 213 in Richtung Bremerhaven abbog. Er wollte bei Tanja Auf der Bult sein, wenn sie die Wohnung verließ, um zur Arbeit zu gehen.
Er parkte direkt vor ihrer Haustür, und als sie auf den Bürgersteig trat, war sie noch ganz gedankenverloren und suchte etwas in ihrer Handtasche.
Leon öffnete mit einem kleinen Stoß von innen die Beifahrertür, so dass sie ihr den Weg versperrte.
»Darf ich Sie zur Arbeit fahren, junge Frau?«, fragte er.
Sie bückte sich, um in den Fiat zu schauen. Als sie ihn sah, nahm sie bereitwillig auf dem Beifahrersitz Platz, machte aber keine Anstalten, sich anzuschnallen.
»Bitte verrate mir eins: Warum hast du mir nicht gesagt, dass Bonnie einen Freund hatte?«
»Freund?« Tanja verdrehte die Augen und sah zur Fahrzeugdecke. »Du hast dieses Drama ja damals nicht mitgekriegt. Plötzlich gab es diesen Beschützer . Er hat ihr ein paarmal geholfen. Sie suchte wohl eine breite Schulter, an die sie sich anlehnen konnte. Ich habe ihn nie kennengelernt. Sie hat mir seinen Namen nicht gesagt. Später durfte ich ihn nicht mal Beschützer nennen. Sie hatte Angst, dass ihr Verehrer ihn umbringt, wenn er erfährt, dass sie einen Beschützer hat.«
Tanja wischte mit ihrer Hand ein paarmal vor ihren Augen durch die Luft. »Die war völlig gaga. Paranoid, verstehst du? Ein richtiger Freund war das nicht. Die hatten nichts wirklich miteinander. Das war so einer von diesen lieben Frauenverstehern, weißt du. Aber im Grunde hatte sie gar keine Zeit für ihn. Es ging ja immer nur um ihren Verehrer.«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor«, maulte Leon. »Man hat es nicht leicht, so eine Frau zu lieben.«
»Am Ende hat sie ihn auch gar nicht mehr treffen wollen, um ihn nicht zu gefährden. Ein bisschen verknallt in ihn war sie vielleicht, ja. Aber mehr auch nicht.«
»Mir geht’s nicht darum, die Beziehung zu klären, es ist mir völlig egal, wie weit die miteinander gegangen sind. Aber vielleicht weiß der was und kann uns weiterhelfen.«
»Vielleicht hat sie ihn auch vor mir geheim gehalten, damit ich ihn
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