Neongrüne Angst (German Edition)
anfasste, wusste sie, dass sie nicht in der Lage war, eine Nummer korrekt einzutippen oder sich durch das Menü zu klicken.
Es ist Volker, dieses miese Schwein, dachte sie immer wieder. Nur er nennt mich Josy.
Aber vielleicht hatte Leon ja gar nicht so unrecht. Volker war nicht in der Lage, solch schwere Verbrechen zu begehen. Er hängte sich einfach nur dran, behauptete, es getan zu haben, um ihr Angst zu machen. Oder Volker war nicht allein und hatte noch Mittäter.
Überhaupt glaubte sie inzwischen nicht mehr, es nur mit einer einzelnen Person zu tun zu haben. Volker hatte so eine unverwechselbare Stimme. Konnte er es überhaupt schaffen, sich so zu verstellen?
Für Tobias Zenk dagegen wäre das überhaupt kein Problem. Tobias war mit Jessy Schmidt auch auf dem Freimarkt gewesen. Sie hatte die beiden gesehen.
Die Sache war ihr sowieso komisch vorgekommen. Jessy, für die die schlanke Linie und gutes Aussehen wichtiger waren als alles andere, hatte mit ihm zusammen Currywurst gegessen. Jessy lebte doch im Grunde von Salatblättern, fettarmen Joghurts und Früchten. Hatte sie sich zusammen mit Tobi nur deswegen an die Würstchenbude gestellt, weil sie von dort einen guten Blick auf die Achterbahn hatten?
Auch vor dem Theater hatte sie Jessy gesehen. Zufall?
Aber war es vorstellbar, dass die beiden zukünftigen Hollywoodstars Tobias Zenk und Jessy Schmidt mit Volker Krüger gemeinsame Sache machten? Die beiden waren von Ehrgeiz geradezu zerfressen, während Volker es mehr darauf abgesehen hatte, eine ruhige Kugel zu schieben und immer genügend Drogen in der Tasche zu haben.
Ben klopfte an die Tür. »Hey, Zimtzicke, mach mal auf. Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen? Dein Typ hat hier angerufen und wollte dich sprechen.«
Ohne die Tür zu öffnen, fragte Johanna: »Welcher Typ?«, und ärgerte sich sofort darüber, denn natürlich gab sie ihrem Bruder damit Stoff.
»Ach, du weißt schon nicht mal mehr, wie er heißt? Na, scheint ja eine heiße Liebesgeschichte zu sein. Willst du mich jetzt hier vor der Tür stehen lassen, oder lässt du mich rein?«
»Ich lieg schon im Bett.«
»Und wieso schließt du dein Zimmer ab? Hast du Angst, dass ich dein bescheuertes Tagebuch lese? Komm, mach auf, du pennst nicht, du bist doch gerade erst wiedergekommen. Ich hab dich gehört.«
»Lass mich in Ruhe!«
»Du mich auch!«
Er schlurfte wieder weg. Sie konnte seine Schritte hören und war erleichtert.
Vielleicht wirkten die Schmerztabletten, jedenfalls ließ das Zittern ihrer Finger nach. Sie begann, zunächst Leon, dann alle anderen Freunde aus ihrer Adressenkartei zu sperren. Die Arbeit dauerte fast zwanzig Minuten. Als sie damit fertig war, ließ sie sich erschöpft aufs Bett fallen.
In diesem Moment wäre sie bereit gewesen zu sterben. Ihr Zimmer kam ihr vor wie ein großer Sarg. Und als sie einschlief, hörte sie sogar, dass Erde daraufgeworfen wurde.
36
Leon fuhr nicht zurück nach Ganderkesee. Die Vorstellung, jetzt in die Enge der Wohnung zurückzukehren und den Streit zwischen seinem Vater und seiner neuen Lebensgefährtin Trudi weiter mitanhören zu müssen, fand er unerträglich. Stattdessen hätte er am liebsten bei Johanna übernachtet, aber da ihre Mutter sich in letzter Zeit sehr zickig anstellte, parkte Leon nur vor ihrem Haus in der Wurster Straße und legte sich im Auto schlafen.
So spürte er zumindest die Nähe zu Johanna und fühlte sich als ihr Beschützer. Er war jetzt so etwas wie der Wächter vor dem Tor. Aus dem Auto heraus hatte er ihre Haustür im Blick.
Es war eine ruhige, sternenklare Nacht. Ein Hund pinkelte gegen das rechte Vorderrad und setzte damit das Signal für mehrere andere Hunde in der Siedlung, auch am Fiat ihre Marke zu hinterlassen.
Zweimal versuchte Leon, Johannas Handy anzurufen, aber sie schien es ausgeschaltet zu haben, was ihm zunächst unverständlich war, doch dann erklärte er sich die Sache so: Vermutlich will sie einfach Ruhe vor dem Flüsterer haben.
Im Grunde fand Leon das richtig, ärgerte sich aber, dass er selbst sie nun auch nicht erreichen konnte.
Er dachte noch kurz an Megan Black, mit der er eigentlich in Delmenhorst das Nachtleben unsicher machen wollte, doch er fühlte, dass er im Moment hierhin gehörte. Genau an diesen Ort. In Johannas Nähe.
Die heruntergelassenen Rollläden wirkten ein bisschen abweisend auf ihn. Alle anderen Leute hatten die Fenster in dieser Nacht geöffnet oder zumindest auf Kipp gestellt. Es war fast windstill, und
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