Neongrüne Angst (German Edition)
anderen hätten schon gestanden und ihn beschuldigt, die Hauser-Brüder getötet zu haben.
Er bestritt sofort, allein verantwortlich zu sein. Er habe nur den Wagen gefahren, außerdem sei Milhailo die treibende Kraft gewesen.
Büscher grinste in sich hinein. Die simpelsten Tricks funktionierten doch immer noch am besten. Jetzt werde ich gleich rübergehen und den Kollegen stecken, was sie zu tun haben …
Milhailo wollte erst nicht glauben, dass Jurij ihn verraten hatte, und lachte Birte Schiller aus. Kurz danach aber verlor er völlig die Kontrolle über sich und schwor, Jurij umzubringen, wenn der zum Singvogel geworden sei.
62
Die Knie taten ihr weh, und der linke Fuß schlief ein, aber Pits Rücken schützte Johanna gegen den heftigen Fahrtwind. Das Motorengeräusch hatte inzwischen einen einschläfernden Klang. Das Vibrieren ging durch ihren ganzen Körper.
Sie drückte ihre linke Wange zwischen Pits Schulterblätter und sah über sich den klaren, ostfriesischen Sternenhimmel. Neben ihnen der lange Deich, auf dem sich schattenhaft Schafe abhoben, die sich wie gebückte Geisterwesen bewegten, gekommen, um zurückzuerobern, was ihnen gehörte.
Johanna kam sich merkwürdig beschützt vor, so als würde sie hierhergehören. Auf dieses Motorrad. Zu Pit. Ja, sogar an diesen Deich.
Er hielt noch einmal an, um mit ihr gemeinsam aufs Meer zu schauen. Hand in Hand gingen sie durchs Gras, den Deich hoch.
Alles wird gut, dachte sie.
Vom Deichkamm aus konnten sie weit blicken. Das Blut floss in die Knie und in den linken Fuß zurück. Der Schmerz wich einem wohligen Kribbeln.
Jetzt, da Pit den Motor ausgestellt hatte und das Motorrad unten auf sie wartete, nahm sie diese fast unglaubliche Ruhe wahr, als hätte man den Flügelschlag eines Schmetterlings hören können.
In die völlige Stille hinein sagte Pit: »Leon war schon immer ein komischer Typ. Ich hab ihm nie wirklich getraut. Manchmal dachte ich, er könnte mein Freund werden, aber dann wieder … Sag mal, schluckt der auch Tili?«
Johanna zuckte zusammen. »Was? Leon? Wie kommst du denn da drauf?«
Pit atmete tief aus. »Hm. Manchmal kam er mir so angriffslustig vor. So voller Kampfgeist, und die meisten Typen, die so drauf sind, hauen sich Tilidin rein. Das ist doch auch Volkers Lieblingsdroge. Das Zeug macht aus jedem Hänfling einen harten Mann.«
Johanna sah ihn an, aber er hatte nur den Kopf in den Nacken gelegt, sprach wie zum Himmel und sah hinauf zu den Sternen. Der Wind streichelte ihr Gesicht.
»So einer hat dich jedenfalls überhaupt nicht verdient«, sagte Pit, und Bitterkeit schwang dabei mit.
Johanna schwankte zwischen dem dringenden Bedürfnis, Pit jetzt zu küssen, und dem, Leon verteidigen zu müssen.
»Er … er hat sich wirklich für mich geprügelt. Er hat Volker …«
»Ja, das war clever von ihm. So geben sie sich gegenseitig ein Alibi.«
Sie löste sich von ihm. »Häh? Was für ein Alibi?«
»Na, überleg doch mal. Wenn die beiden gemeinsame Sache gemacht haben, dann war es doch wohl das Allerklügste der Welt, dass sie sich scheinbar ein kleines Kämpfchen geliefert haben. Leon spielt den tapferen Helden, der seine Freundin verteidigt, und Volker gibt den unschuldig Verdächtigten. Denn er kann es ja, wenn ich dich richtig verstanden habe, eigentlich gar nicht gewesen sein, weil er im Grunde viel zu dämlich ist, um Stimmen nachzumachen und einen raffinierten Plan auszuhecken. Der kann nur Drogen verkaufen, Leute von sich abhängig machen, und wenn der die richtigen Typen um einen kleinen Gefallen bittet, tun sie ihm den. Glaub mir.«
»Du meinst wirklich, dass Leon und Volker …«
Er hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. »Also, ich will nichts gesagt haben und niemanden beschuldigen. Aber wenn du mal eins und eins zusammenzählst … Als ich noch auf der Edith-Stein-Schule war, da hat Leon doch dieses bescheuerte Hörspielprojekt gemacht. Kannst du dich noch erinnern? Die wollten gemeinsam einen Krimi machen. Sie brauchten viele verschiedene Stimmen. Ich sollte ihnen auch was auf Band sprechen.«
Johanna hatte plötzlich das Gefühl, in ihrem Magen würden Eiswürfel gegeneinanderreiben. Eine scharfe Kälte breitete sich von der Mitte ihres Körpers in ihr aus.
»Stimmenmaterial, Geräusche und so hat Leon genug. Das stimmt.«
Sie schluckte. Sie konnte kaum weitersprechen. »Aber warum sollte Leon …«
Vorsichtig legte Pit den Arm um sie und zog sie sanft an seinen Körper.
»Warum betrügt einer
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