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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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würde, berührte er ein blaues Sofa in ihrem Zimmer und sagte: »Klasse. Gefällt mir. Echt stylisch. Voll die Sechziger.«
    »Ja«, sagte sie, »gebraucht gekauft für achtzig Euro. Wie alles hier. Vom Flohmarkt oder aus zweiter Hand.«
    Das Zimmer von Bonnie war unberührt, so als könne sie jederzeit zurückkommen und einfach wieder einziehen. Ihr kleiner Computer, auf dem sie immer ihre Hausaufgaben gemacht hatte, stand noch immer auf dem winzigen Schreibtisch.
    Tanja startete den Computer und gab das Passwort ein.
    »Mir wird ganz anders dabei«, sagte sie. »Wenn hier plötzlich ihre E-Mails kommen und all die Fotos, die sie gemacht hat … Ich glaub, ich kann das nicht. Darf ich dich einfach mit dem Computer alleine lassen?«
    Leon fühlte sich unbehaglich dabei, nickte aber.
    »Sie hat alle Fotos gespeichert und nach Jahren geordnet. Sie war ja so ordentlich. Wir finden ihn garantiert auf den Bildern. Ein Tagebuch hat sie nicht geführt, aber ihre gesammelten E-Mails sind ja so etwas Ähnliches.«
    »Wir finden ihn«, sagte Leon zu sich selber, um sich Mut zu machen. Dann bog er seine Finger durch und ließ die Knöchel knacken, als sei dieser Computer ein besonders feines Instrument, das er mit seinen Wurstfingern kaum bedienen konnte.
    Tanja verließ das Zimmer. Leon hörte eine Tür klappern und dann ein Flüstern. Er folgerte daraus, dass ihre Eltern in der Wohnung waren, sie aber keine Lust hatte, ihn ihren Eltern vorzustellen. Leon war es recht. So blieben ihm Erklärungen erspart.
    Er hörte einen Wasserhahn laufen. Es plätscherte heftig in ein Edelstahlbecken.
    Tanja kam mit zwei vollen Wassergläsern ins Zimmer zurück und stellte eins neben den Computer auf den Schreibtisch.
    »Es ist Leitungswasser. Ich hab es aber eine Weile laufen lassen. Ist schön frisch und kühl. Meine Eltern haben sonst nur so ’n süßes Zeug da, das magst du bestimmt nicht.«
    Die Fotos begannen erst, als Bonnie zehn war. Die Jahre davor waren im vordigitalen Zeitalter der Papierfotografie verschwunden.
    Leon interessierten die ersten Partyfotos und Filmchen. Und gleich sah er die ersten bekannten Gesichter.
    Fotos im Schwimmbad. Jessy im Bikini, Arm in Arm mit Bonnie, und ganz im Hintergrund war auch Ben zu sehen.
    »Volker hatte Wodka Pflaume mitgebracht, und wir haben in der Sonne getrunken und waren schon nach kurzer Zeit völlig beduselt. Volker hat dann an Bonnie rumgefummelt, wollte sie küssen und so. Ich hab ihn weggejagt. Sie konnte sich ja kaum wehren, so dicht war sie vom Alkohol.«
    »Ich glaube kaum, dass das nur am Alkohol und an der Sonne lag«, sagte Leon. »Volker mischt schon mal gerne was Zusätzliches in die Drinks.«
    »Meinst du echt?«
    »Es wäre nicht das erste Mal.«
    Tanjas Hand krampfte sich in die Plastiklehne des Bürostuhls. »Boah, äi, das ist so gemein! Wir waren damals so jung!«
    »Das ist auch gemein, wenn jemand älter ist. Auf jeden Fall kannten sie dich und deine Schwester. Und sie kennen Johanna.«
    »Natürlich kennen die sie. Aber glaubst du im Ernst, dass …«
    Leon zuckte nur mit den Schultern und klickte sich weiter durch das Fotoalbum.
    Bonnie war gar nicht so oft auf den Bildern. Meist hatte sie Freunde fotografiert, Freundinnen oder auch Straßenschilder, die sie witzig fand. Von einer Pizzeria, die längst wieder pleite war, hatte sie das Schaufenster fotografiert. Eröffnungsangebot: Eine Pizza essen, zwei bezahlen.
    Aus der Tiefe der Wohnung krächzte eine weibliche Stimme: »Bleibt der noch lange?«
    Leon stellte sich dazu ein zahnloses Gesicht vor.
    »Nein, Mama, wir müssen nur was nachgucken!«, rief Tanja. Es war ihr sichtlich peinlich, und sie wollte ein Zusammentreffen zwischen Leon und ihrer Mutter vermeiden.
    »Sie mag es nicht, dass wir hier im Zimmer sind. Das alles ist noch sehr frisch, und wir wühlen das jetzt wieder auf. Ich weiß auch nicht, was es bringen soll …«
    »Okay, dann lass mich wenigstens die Fotos und E-Mails deiner Schwester auf einen Stick ziehen.«
    Sie sah ihn nur fragend an und zeigte ihm ihre offenen Handflächen.
    »Ja, ich habe keinen mit. Kannst du mir nicht einen leihen, Tanja?«
    Sie stöhnte, als hätte er ihr gerade einen unsittlichen Antrag gemacht. »Was denn noch alles?«, fragte sie, begann aber gleich mit der Suche.
    Sie nahm einen Stick aus Bonnies Schreibtischschublade, betrachtete ihn wie einen wertvollen Diamanten, ein Familienerbstück, das man nicht so ohne weiteres aus der Hand gibt, überließ ihm dann aber das

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