Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
verpassen?«
»Fragen Sie mich doch gleich nach ihrer Schuhgröße. Seit wann ist das überhaupt Ihr Fall? Ich hab gehört, die haben das Mädchen draußen in Cataouatche aus dem Bayou gefischt.«
»Meine Neugier ist rein persönlicher Natur. Hören Sie, Motley, wir arbeiten doch immer gut mit Ihnen und Ihren Leuten zusammen. Sie könnten mir doch auch mal einen Gefallen tun.«
»Und was glauben Sie, was ich weiß? Ich hab Ihnen doch gesagt, sie war bloß eine dieser hirnlosen Nutten. Die sind doch alle nach dem gleichen Muster gestrickt. Außerdem hab ich sie sowieso aus den Augen verloren.«
»Was soll das heißen?«
»Wir haben ein paarmal eine Razzia in diesem Massagesalon gemacht und festgestellt, daß sie dort nicht mehr arbeitet. Eine von den anderen Schnallen hat gesagt, Julio Segura hat sie zu sich in sein Haus genommen. Das muß aber nicht unbedingt was heißen. So was macht er ziemlich regelmäßig. Wenn er von den Mädchen genug hat, gibt er ihnen ein paar Tüten mexikanischen Braunen, und der Zwerg, der für ihn Chauffeur spielt, fährt sie zur Bushaltestelle oder zurück in den Massagesalon.«
»Sie sind wirklich unglaublich.«
»Glauben Sie, ein Typ wie der hat ein Interesse dran, Nutten umzubringen? Schreiben Sie die Sache ab, Robicheaux. Sie verschwenden bloß Ihre Zeit.«
Fünfzehn Minuten später kam Captain Guidry in das Büro, das ich mit Clete teilte. Er war etwa fünfzig, lebte bei seiner Mutter und gehörte den Columbusrittern an. Seit einiger Zeit ging er regelmäßig mit einer Witwe aus, die im städtischen Wasserwerk arbeitete, und wir wußten, daß es etwas Ernstes sein mußte, als der Captain sich einer Reihe von Haartransplantationen unterzog. Sein glänzender kahler Schädel war jetzt übersät mit winzigen runden Inseln von transplantiertem Haar, so daß sein Kopf aussah wie ein mit Unkraut bewachsener Stein. Aber er war ein guter Vorgesetzter, immer offen und direkt, und er hielt oft genug den Kopf für uns hin, auch wenn er es nicht nötig hatte.
»Der Automobilclub hat angerufen und gemeldet, daß sie Ihren Wagen abgeschleppt haben«, sagte er.
»Das ist gut«, antwortete ich.
»Nicht ganz. Sie sagten auch, jemand muß alle Fenster mit einem Hammer oder einem Baseballschläger eingeschlagen haben. Was ist eigentlich vorgefallen da draußen mit dem Sheriffsbüro, Dave?«
Ich erzählte es ihm, und er hörte mit ausdrucksloser Miene zu. Ich erzählte ihm auch von Julio Segura. Cletus beschäftigte sich derweil intensiv mit unserem Aktenschrank.
»Die Geschichte ist nicht erfunden? Sie haben tatsächlich zwei Deputies mit Handschellen an ihr eigenes Auto gefesselt?« fragte der Captain.
»Ich hatte keine besonders guten Karten, Captain.«
»Nun, wahrscheinlich haben Sie die Burschen ganz richtig eingeschätzt, denn bis jetzt haben sie nichts unternommen, abgesehen davon, daß sie Ihr Fahrzeug ein wenig verschönert haben. Wollen Sie sie ein bißchen unter Druck setzen? Ich könnte das Büro des Generalstaatsanwalts anrufen und ihnen noch etwas Dampf machen.«
»Clete und ich wollten mal zu Seguras Haus rausfahren.«
»Die Sitte ist der Meinung, das ist ihr Zuständigkeitsbereich«, gab Captain Guidry zu bedenken.
»Diese Leute reden davon, einen Polizisten umzubringen. Damit fällt es in unsere Zuständigkeit«, sagte ich.
»Also gut, aber keine Cowboymethoden«, sagte der Captain. »So wie die Situation im Augenblick ist, haben wir da draußen rechtlich gesehen nichts zu suchen.«
»In Ordnung.«
»Beschränken Sie sich darauf, mit ihm zu reden und ihm zu sagen, daß uns Dinge zu Ohren gekommen sind, die uns nicht gefallen.«
»Okay, Captain.«
Er strich sich mit dem Fingernagel über eines der verkrusteten Implantate auf seinem Schädel.
»Dave?«
»Ja, Sir?«
»Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Er hat einen Polizeibeamten aus New Orleans bedroht, und das können wir nicht dulden. Stecken Sie ihn mit dem Kopf in die Toilette. Und sagen Sie ihm einen schönen Gruß von mir.«
Oleander, Azaleen und Myrrhe standen in dichten Gruppen hinter dem verschnörkelten Eisenzaun, der Seguras ausgedehnten blaugrünen Rasen umgab. Gärtner waren damit beschäftigt, die Hecken zu schneiden, die Geranien- und Rosenbeete zu wässern und die toten braunen Blätter aus den Bananenstauden zu entfernen. Weiter unten am See erkannte ich das zweistöckige, mit weißem Stuck verzierte Haus mit dem roten Ziegeldach, das in der Sonne leuchtete. Die Königspalmen neben dem
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