Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dann den Hörer. Ich sah, wie sie lächelte, während sie zuhörte, dann verzog sie das Gesicht und fing laut an zu lachen.
»Das ist einfach unglaublich«, sagte sie.
»Was hat er gesagt?«
»Daß Ihr Haar gestreift ist wie das Fell eines Stinktiers, und daß Sie manchmal versuchen, sich aus dem Staub zu machen, ohne die Rechnung zu bezahlen.«
»Clete hatte schon immer ’ne satirische Ader.«
»Ist das die Art, wie Sie arbeiten? Indem Sie andere Cops an Autos fesseln, fremde Menschen auf der Straße erschrecken und am Telefon Witze reißen?«
»Eigentlich nicht. Es ist bloß so, daß die im Sprengel nach anderen Regeln spielen, und ich habe mich sozusagen aus meinem Revier gewagt.«
»Und was ist mit den beiden Deputies da hinten? Werden die nicht hinter Ihnen her sein?«
»Ich glaube, die werden sich eher Gedanken machen, wie sie dem Mann, für den sie arbeiten, die ganze Sache erklären. Wäre es vielleicht möglich, daß Sie mich nach dem Essen in die Stadt zurückfahren?«
»Ich muß nur noch ’nen Hausbesuch bei einem meiner Mandanten machen, dann können wir zurückfahren.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Manhattan und aß die Kirsche, die auf dem Zahnstocher steckte. Als sie sah, daß ich sie beobachtete, wandte sie den Kopf und blickte durch das Fenster auf den See hinaus, wo der Wind das Moos in den Zweigen der Zypressen bewegte.
»Mögen Sie Pferderennen?« fragte ich sie.
»Ich war noch nie beim Rennen.«
»Ich hab einen Mitgliedsausweis für das Clubhaus. Was halten Sie davon, wenn wir morgen abend auf die Rennbahn gehen, vorausgesetzt, ich habe bis dahin meinen Wagen wieder?«
Sie sagte eine Weile nichts, während ihre leuchtendblauen Augen mein Gesicht studierten.
»Ich spiele Cello in einem Streichquartett. Morgen abend üben wir«, sagte sie dann.
»Oh.«
»Aber so gegen halb neun werden wir wohl fertig sein, wenn das nicht zu spät ist. Ich wohne am Audubon Park«, fügte sie hinzu.
Siehst du, misch dich nicht ein, dann geht alles seinen geregelten Gang, sagte ich mir.
Am nächsten Tag im Revier lief dann leider doch nicht alles so glatt. Es war wie immer, wenn ich mit den Leuten von der Sitte zu tun hatte, insbesondere mit Sergeant Motley. Er war ein Schwarzer, ein ehemaliger Berufssoldat, aber er hatte nur wenig Sympathie für seine eigenen Leute. Ein schwarzer Wermutbruder in einer der Ausnüchterungszellen hatte Motley einmal Schwierigkeiten gemacht und ihm gesagt, er sei »ein Diener des weißen Mannes mit dem Ausweis des weißen Mannes und der Pistole des weißen Mannes«, und Motley hatte ihn darauf von Kopf bis Fuß mit einer Sprühdose mit Reizgas eingenebelt, ehe der Wächter sie ihm aus der Hand schlug.
Es gab aber noch etwas anderes, was Motley betraf, und die Erinnerung daran war viel düsterer. Bevor er zum Sergeant befördert wurde und zur Sitte ging, hatte er als Justizdiener im Gericht gearbeitet, wo er die Aufgabe hatte, morgens die Gefangenen von der Ausnüchterungszelle zur Anhörung zu bringen. Einmal war er gerade mit sieben Gefangenen, die an den Händen zusammengefesselt waren, im Fahrstuhl, als im Keller ein Feuer ausbrach und die Stromleitungen ausfielen, so daß der Fahrstuhl zwischen den Etagen steckenblieb. Motley kletterte über den Notausstieg im Dach der Fahrstuhlkabine hinaus, aber die sieben Gefangenen starben an Rauchvergiftung.
»Was wollen Sie über das Mädchen wissen?« fragte er. Er war übergewichtig und trug einen dichten Schnurrbart, und sein Aschenbecher war voller Zigarrenstummel.
»Sie haben sie in einem einzigen Monat dreimal festgenommen –zweimal wegen Prostitution, einmal wegen Drogenbesitz. Sie scheinen ein besonderes Interesse an ihr gehabt zu haben«, sagte ich.
»Sie war ’ne Zehn-Dollar-Mieze, ’ne echte Pflaume.«
»Nicht grade viel, was Sie mir da erzählen, Motley.«
»Was gibt’s da schon zu erzählen? Sie hing an der Nadel und hat den Jungs in einem dieser Massagesalons an der Decatur Street einen runtergeholt. Eine von der Sorte, die von ’nem Freier aufgeschlitzt oder von ’nem Zuhälter angesteckt wird. Wie ich schon sagte, ein typisches Opfer. Ein Mädchen vom Lande, das ganz nach oben wollte.«
»Wer hat für sie die Kaution gestellt?«
»Ihr Zuhälter wahrscheinlich, ich erinner mich nicht mehr so genau.«
»Wer war das?«
»Weiß ich nicht mehr. Der Laden hat alle zwei Monate ’nen neuen Geschäftsführer.«
»Kennen Sie jemand, der Grund haben könnte, ihr einen goldenen Schuß zu
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