Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Informationen kriegt man an jedem Kneipentisch. Ich würde sagen, es sind nicht mehr als zwölf Leute, die wir jetzt schon damit vors Schwurgericht bringen könnten.«
»Dann tun Sie’s doch, Sie Schlaumeier.«
»Ich bin noch nicht am Ende. Nur damit Sie auch alle Fakten haben, wenn Wineburger heut nachmittag versucht, Sie gegen Kaution freizukriegen. Ich werde den Wagen hier abschleppen, mit dem Staubsauger reinigen und dann mit der Brechstange auseinandernehmen lassen. In Louisiana gibt’s für Drogenbesitz fünfzehn Jahre, und alles, was wir brauchen, ist ein bißchen von der verbrannten Asche am Zigarrenanzünder oder auf dem Polster. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Sie sitzen in der Klemme.«
In diesem Moment beging Cletus den wahrscheinlich dämlichsten und überflüssigsten Fehler seiner gesamten Karriere.
»Und dieses kleine Schwein hier ebenfalls«, sagte er, griff durch das Fenster in den Wagen, packte die Nase des Torwächters und drehte sie einmal kräftig.
Die Augen des Mannes füllten sich mit Tränen, er versuchte, Clete auf die Hand zu schlagen, aber dann verschwand sein haariger, tätowierter Arm im ledernen Seitenfach der Wagentür.
»No la hagas! No la hagas!« schrie Segura auf.
Aber es war zu spät. Für uns alle. Der Torwächter hielt plötzlich eine vernickelte Automatik in der Hand und feuerte einen Schuß ab, der den Fensterrahmen traf und Clete mit einem Schauer von Glasscherben übersäte. Danach ging alles sehr schnell. Während ich hinten in meinen Gürtel griff und meine 45er packte, sah ich, wie Clete blitzschnell seine 9-Millimeter aus dem Halfter zog, in die Hocke ging und zu feuern begann. Ich trat einen Schritt zurück, um besseres Schußfeld zu haben und Segura nicht zu treffen, und schoß zur gleichen Zeit wie er, mit der Linken mein rechtes Handgelenk stützend, um den Rückstoß zu verringern. Ich gab fünf Schüsse ab, so schnell ich den Abzug betätigen konnte, und die Explosionen dröhnten mir in den Ohren, aber ich konnte nicht genau erkennen, was im Wageninneren passierte. Es war, als ob der Cadillac von einem Erdbeben getroffen würde. Die Luft war voller Lederfetzen, Schaumstoffstückchen aus der Polsterung, herumfliegender Glasscherben und Metallteile, Mahagonisplitter, zerbrochener Schnapsflaschen, Kordit, Qualm und einem Gemisch aus Blut und Wodka, das am Rückfenster hinunterlief.
Julio Segura hatte keine Chance. Er versuchte sich zu einem embryoähnlichen Ball zusammenzukrümmen und aus Cletes Schußlinie zu kommen, aber seine Lage war aussichtslos. Dann sprang er plötzlich auf und versuchte durch das Fenster an mich zu kommen, die Hände wie Klauen nach mir ausgestreckt. Seine Augen blickten mich flehend an, sein Mund war zu einem lautlosen Schrei aufgerissen. Ich hatte den Finger bereits am Abzug, und der Schuß traf ihn in den weitgeöffneten Mund und riß ihm den Hinterkopf weg.
Ich zitterte am ganzen Leib und konnte kaum atmen. Ich trat ein paar Schritte vom Cadillac weg und stützte mich auf Cletes Wagen, die 45er noch in der kraftlosen Hand. Cletes narbiges, aufgedunsenes Gesicht war so blutleer und angespannt, daß man ein Streichholz daran hätte entzünden können. Seine Kleidung war mit Glassplittern übersät.
»Dieser Hundsfott hat mich tatsächlich aus weniger als einem Meter Entfernung verfehlt«, stieß er hervor. »Hast du das gesehen? Dieses verdammte Fensterglas hat mir das Leben gerettet. Geh mal ruber und schau dir das an. Wir haben sie echt auseinandergenommen.«
In diesem Moment sahen wir, wie der Zwerg, der den Wagen gefahren hatte, ausstieg und auf seinen kurzen Stummelbeinen mitten auf der Straße davonlief, während gleichzeitig lautes Sirenengeheul näher kam. Clete brach in ein hilfloses Kichern aus.
5
Am nächsten Morgen saßen Clete und ich an unseren Schreibtischen in dem kleinen, mit Glasscheiben abgeteilten Büro mit den schmutziggelben Wänden, die mich immer an die Umkleidekabinen im YMCA-Sportclub erinnerten. Cletus tat, als lese er ein ausführliches Memo von unserem Abteilungsleiter, aber entweder blickten seine Augen nur ins Leere oder er litt unter einem schmerzhaften Kater. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen und kaute ständig Pfefferminzbonbons, um seinen Atem aufzufrischen, aber der Scotch der letzten Nacht steckte noch tief in seinen Eingeweiden. Wir hatten beide bereits unsere Berichte für Captain Guidry geschrieben.
»Das war das letzte Mal, daß ich dich rausgehauen habe,
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