Neonträume: Roman (German Edition)
das Ende meiner Beziehungen hinzudeuten scheinen. Die Frauen haben mir den Krieg erklärt, nicht mehr und nicht weniger. Die eine wirft mir vor, ich sei unernsthaft, die andere beklagt sich über den Mangel an Sex. Hinter all diesen Vorwürfen verbirgt sich doch nichts anderes als reine Habgier! Eiskalte Besitzansprüche sind das! Ich kann mir sehr gut vorstellen, was abgehen wird, wenn ich einwillige, mit Rita zusammenzuleben oder Lena zu heiraten. Irgendwann müsste ich ihnen einen präzisen Stundenplan abliefern: Wo ich bin und mit wem, was ich esse, was ich trinke und so weiter und so weiter. Komme ich mehr als eine Stunde zu spät nach Hause, kriege ich Hausarrest, komme ich erst morgens, werde ich standrechtlich erschossen. Nee, ich hab die Schnauze voll, nächste Woche mache ich Schluss! Ich gebe Vadim seine Kohle zurück, reiße die Bonzenfete ab– und dann tschüss und auf Nimmerwiedersehen, geliebte Gefährtinnen besserer Tage! Schluss, aus!
Das ist doch wirklich nervig. Ständig irgendwelche Bedingungen: Kohle zurückgeben, unseren Auftritt hinter uns bringen. Nie wieder im Leben werde ich mich in geschäftlichen Dingen von Weibern abhängig machen! Sie sind einfach wie Kletten. Wenn diese beiden, die Kohle und der Auftritt, nicht wären, hätte ich meine Probleme schon gestern Abend gelöst, ich hätte die beiden einfach mit den Nasen zusammengestoßen und fertig. Na schön, zwei Tage noch, und dann…
Dann fängt eine wunderschöne Romanze an: mit Katja! Keine alberne Selbstdarstellungs-Show mehr, kein billiges Theater, keine Lügen! Obwohl Moment! Ich hab ihr ja schon erzählt, ich sei Miteigentümer des Beobachters. Aber was soll’s, ich arbeite immerhin dort. Wer will mir beweisen, dass ich nicht Miteigentümer bin? Könnte ja sein, dass mein Vater einer der Investoren ist, oder? Na gut, das klären wir später. Aber eins ist beschlossen: In Zukunft bin ich nur noch ich selber! Zum ersten Mal im Leben! Ah, was für himmlische Aussichten! Romantische Flirts! Mit Blumen und allem, was dazugehört! Nie mehr spontaner Sex auf Klubtoiletten! Tiefe, langsam wachsende Gefühle und… Stopp! Und was ist mit Ljochas Geburtstag heute Abend? Na gut, gehe ich mal davon aus, dass ich sie heute Abend noch nicht anbaggere. Ich warte bis Dienstag, wenn ich diese Kletten abgeschüttelt habe. Also der Plan steht! Ein großartiger Plan! Ich lasse alle Reklametafeln auf dem Gartenring mit Cupidos plakatieren!
Ich rufe Katja an und schlage ihr vor, sie zu Hause abzuholen, aber sie lehnt ab, es sei zu umständlich. Warum, will sie mir nicht sagen. Schließlich verabreden wir, dass ich sie um halb neun im Ostoschenka-Viertel treffe.
Kaum habe ich aufgelegt, packt mich die Paranoia. Vertraut sie mir nicht? Nicht genug damit, dass sie eine Freundin mitbringt, jetzt möchte sie nicht einmal zu Hause abgeholt werden! Darf ich nicht wissen, wo sie wohnt? Hat sie etwa Angst vor mir? Irgendwie kompliziert alles…
Lena sitzt am Tisch und starrt aus dem Fenster. Man sieht ihr nicht das Geringste an, als hätten wir nicht vor kaum zehn Minuten einen heftigen Konflikt ausgetragen. Ihre Miene zeigt weder Trauer noch Zorn, weder Sorge noch Gekränktheit, nicht das kleinste Gefühl. Ihr Gesicht ist absolut glatt! Ich mache einen Schritt auf sie zu, sie dreht sich um, unsere Blicke begegnen sich. In ihren Augen flackert Erschrecken. Ich habe das befremdliche Gefühl, sie in flagranti ertappt zu haben, meinetwegen, wie sie gerade meine SMS -Nachrichten liest oder die Taschen meiner Jacke durchsucht, oder wie sie gerade aus dem Auto eines meiner Bekannten steigt… Was für ein Blödsinn! Wovor sollte sie Angst haben? Hat jemand sie gerade angerufen? Vielleicht ist ihr ja auch ein Gespenst über den Weg gelaufen (he, he) wie mir gestern im Shanty! Ich sehe mich schnell um, aber mir fällt nichts Verdächtiges auf. An den meisten Tischen sitzen Pärchen. Die Frauen himmeln ihre Männer an, die Männer ihre Frauen, alle Gesichter um uns herum leuchten förmlich vor lauter Liebe und Glück. Obwohl es natürlich durchaus möglich ist, dass jede von diesen Frauen gestern hier an genau demselben Tisch mit einem Mann gesessen hat, der heute an einem anderen Tisch mit ihrer besten Freundin zusammensitzt. Eigentlich sind alle potentielle Lügner und Betrüger.
Als ich näher komme, bemerke ich, dass der Schreck aus Lenas Gesichtszügen verschwunden ist. Sie schaut mich an wie immer, mit ihren warmen, ein wenig traurigen Augen. Als wäre
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