Neonträume: Roman (German Edition)
Wochen, das macht nach Adam Riese im Schnitt einmal pro Woche. Wie bei einem alten Ehepaar.«
Der Wein kommt. Der Kellner füllt die Gläser, ich zünde meine Zigarette an und überlege, wie ich möglichst geschickt von diesem klebrigen Thema wegkomme. Es ist ganz normal, dass alle Frauen, die sich für » Feste« halten, sich irgendwann über den Mangel an Sex beklagen, und der Spruch ist immer der gleiche: » Wie bei einem alten Ehepaar«. Nichts als Gemache. Wenn du auf wilden Sex aus bist, meine Liebe, solltest du nicht von Heiraten reden, sondern von Nachtklubs und Tanzpartys. Paradoxe Angelegenheit. Erst streben sie mit Volldampf in den Hafen der Ehe, und wenn sie erstmal drin sind, beklagen sie sich, es sei ihnen zu normal!
» Ich bin ja bereit, Bestandteil eines alten Ehepaares zu werden«, scherze ich.
» Du bringst die Sache auf den Punkt, mein Bester!« Ihre Stimme klingt verdächtig freundlich. Oder ist sie nur betrunken? » Vielleicht hast du ja eine andere?«
» Logisch hab ich eine andere. Mehrere sogar.« Ich versuche, ärgerlich zu werden, aber das ist gar nicht so einfach, wenn man die Wahrheit sagt.
» Meinst du das ernst?« Lena stellt wütend ihr Weinglas ab. » Und wie lange schon?«
» Sehr lange. Ich hab einen CEO , einen Deputy CEO , einen Financial Controller in den Staaten.« Ich zerdrücke meine Zigarette im Aschenbecher. » Außerdem noch ein paar Buchprüfer, die sind zwar nicht so sexy wie du, aber auch nicht ohne. Darüber hinaus gibt es Ambassadors, die ein paarmal im Monat angereist kommen und nicht so sehr auf unsere Bücher scharf sind, sondern auf Moskau by night. Und wenn ich die nicht befriedige, dann findet mein Unternehmen jemand anderen, der das macht, und ich kann meine Sachen packen, verstehst du?«
» Ja, ja, natürlich, ich weiß: Multinational Corporation.« Lena nickt düster, aber stößt dabei einen Seufzer der Erleichterung aus.
» Yeaaah, multinational, Häschen!« Ich fummel mir die nächste Zigarette aus der Packung, um die Figur des Verärgerten glaubwürdig zu gestalten. » Unsere Karriere hängt nun einmal von solchen Sachen ab, das kennst du doch selber. Das muss ich dir doch nicht erzählen, oder?«
» Nach der Häufigkeit deiner nächtlichen Unternehmungen in Nachtklubs zu urteilen, müsstest du eigentlich in allernächster Zeit zum Head of Moscow Office avancieren.« Lena nimmt mir die Zigarette aus der Hand. » Du qualmst heute eine nach der anderen!«
Jetzt werde ich wirklich sauer. Das ist doch jetzt echt kränkend! Wäre es jedenfalls, wenn ich tatsächlich bei Wal-Mart arbeiten würde. Das muss man sich mal vorstellen: Da baust du verbissen an deiner Karriere, leckst deinen bescheuerten Vorgesetzten den Hintern, schleppst sie durch die Nachtklubs, um ihnen deine bedingungslose Loyalität zum Unternehmen zu beweisen, bloß damit sie dich in den Chefetagen lobend erwähnen, schlägst dir die Nächte um die Ohren, ruinierst deine Gesundheit, und dann macht dich deine Freundin oder wie das heißt auch noch zur Schnecke deswegen! Fuck! Das ist nicht fair! Wofür rackerst du dich denn ab wie ein Hamster im Rad? Und am Ende kümmert das keinen Menschen! Ach was, im Gegenteil, man wird auch noch verspottet! Head of Moscow Office! Und was bist du, bitte sehr? Seit fünf Jahren rackerst du dich in einem beschissenen Büro ab und bist noch keinen Schritt weiter, bist nicht einmal befördert worden! Für Frauen gibt es genau zwei Möglichkeiten, ihre Karriere voranzubringen: Sie können ihre fachlichen oder ihre körperlichen Fähigkeiten einsetzen. Du, mein Hase, hast weder das eine noch das andere! Aber auf mir rumhacken! Wenn das kein Luder ist, dann weiß ich’s nicht!
Ich habe mich so sehr in meine Rolle hineingesteigert, dass ich drauf und dran bin, ihr den Aschenbecher an den Kopf zu werfen. Purer Stanislawski! Schade, schade, an mir ist ein guter Schauspieler verloren gegangen! Vielleicht sollte ich es mal beim Film probieren? Halt, stopp! Relax, man! Alles nur Fiction, vergiss das nicht!
» Nice joke!« Ich nehme ihr die Zigarette weg. » Bingo! Lernst du sowas auf deiner Business-School? Vielleicht ist das ja auch the wrong way, Honey? Vielleicht solltest du lieber Go-go-Dancing studieren? Das ist leichter.«
Lena wird knallrot. Ich nehme einen Schluck Wein, tupfe mir den Mund mit der Serviette ab, schmeiße sie auf den Tisch und verziehe mich auf die Toilette.
In der Kabine denke ich erstmal darüber nach, dass wirklich alle Anzeichen auf
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