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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Seite nimmt eine ungewollte Schwangerschaft auf der berühmten langen Angstskala nach Mirkin die zweite Stelle ein, gleich hinter Geschlechtskrankheiten. Auf der anderen Seite bin ich nicht wirklich sicher, was schlimmer ist: eine untreue oder eine schwangere Braut.
    » Seit etwa einer Woche…«
    Uff, das erklärt natürlich einiges.
    » Ja… aber… ich meine, bist du sicher, dass du…«
    » Dass ich schwanger bin? Nein, natürlich nicht. Das muss gar nichts heißen. Mein Zyklus ist nicht immer ganz regelmäßig. Außerdem habe ich vor kurzem Antibiotika genommen, als ich erkältet war.« Endlich hört sie auf zu schniefen.
    » Und hast du schon… bist du schon…«
    Hör endlich auf zu stottern und benimm dich nicht wie ein Vollidiot, befehle ich mir selber, aber es hilft nicht viel.
    » Du meinst, ob ich einen Schwangerschaftstest gemacht habe? Morgen. Dann sehen wir weiter.«
    Anscheinend hat sie sich jetzt beruhigt. Dafür bin ich völlig entnervt. Nein, ich bin wirklich ein Idiot! Vor zwei Minuten wollte ich noch vor Freude an die Decke springen, weil sie mich nicht betrügt (was für ein Romantiker bin ich doch!), und jetzt würde ich mich am liebsten vor den anstehenden Problemen unter dem Tisch verkriechen.
    » Willst du lieber einen Jungen oder ein Mädchen?«, fragt Lena auf einmal.
    Eigentlich will ich am liebsten Katja. Kinder will ich gar nicht, ich bin ja nicht pädophil.
    » Darüber hab ich noch nie nachgedacht«, antworte ich aufrichtig. » Wahrscheinlich einen Jungen.«
    » Wirklich? In der Regel hängen Töchter mehr am Vater als Söhne.« Lena blickt verträumt zur Decke empor und fährt fort: » Man sagt ja allgemein, dass Männer ihre Töchter mehr lieben.«
    Wer sagt das? Und warum sagt er das? Und was soll überhaupt das ganze Gequatsche um ungelegte Eier? Diese Situation ließe sich doch am besten mit einem deiner eigenen Lieblingswörter beschreiben: overestimated problem. Prüf erstmal, ob du überhaupt schwanger bist oder nicht, dann frag mich, ob ich ein Kind will oder nicht, und dann kannst du anfangen rumzuplärren: Junge oder Mädchen, welches Sternzeichen und der ganze Mist. Ich gieße mir in aller Ruhe Wein nach und sage:
    » Na ja, ein Mädchen wäre echt cool…«
    » Ein Mädchen wäre wunderbar!«, stimmt Lena munter zu. » Weißt du, als ich klein war, da haben mein Vater und ich immer…«
    Und los geht’s mit ihren Kindheitserinnerungen. Das volle Programm. Mit Papa im Park, mit Papa auf dem Rummelplatz, mit Papa am Strand Muscheln sammeln, mit Papa heiße Maroni vom Blech essen… Nach zehn Minuten fühlt sich mein Hirn genauso an wie eine heiße Marone vom Blech… Blech, das Wort passt exakt. Alles Blech! Irgendwann werde ich schläfrig, entweder vom Wein oder von Lenas Gequassel, am wahrscheinlichsten aber, weil ich einfach nervlich erschöpft bin von all diesen anstrengenden Geschichten in letzter Zeit. Wieder einmal falle ich in meine Anabiose.
    Und was ist, wenn sie tatsächlich schwanger ist? Lieber nicht dran denken! Soll ich sie dann auffordern, es abtreiben zu lassen? Klar, ich sehe schon, was dann los ist: eine bühnenreife Szene à la Turgenjew, mit Ohnmachtsanfällen, Riechsalz und allem, was dazugehört. Natürlich lehnt sie ab, gar kein Zweifel! Sie will mich heiraten, hast du das vergessen, du Schwachmat? Was soll ich also machen? Fliehen? Meine Telefonnummer wechseln? In Petersburg untertauchen? Zwecklos, Lena ist doch ein gescheites Mädchen. Das dauert nicht lange, dann haben sie mich am Schlafittchen… Schluss jetzt, erstmal Ruhe bewahren, erstmal ein bisschen Wein trinken…
    » Und kleine Kinder sind ja so süß!«, sagt Lena gerade.
    » Kinder sind schon nett«, bemerke ich und erkenne meine Stimme nicht mehr wieder.
    Herzlichen Glückwunsch, Mr. Mirkin! Der Zustand vollständiger Verblödung ist erreicht! Jetzt sag noch: Kinder sind prima! Ich liebe Kinder! Oder gleich: Für einen normalen Mann sind Kinder das Wichtigste auf der Welt! Und deine Verspießerung ist abgeschlossen! Verstaue deine Paul-Smith-Latschen im hintersten Schrankwinkel, schaff dir einen karierten Freizeitanzug an und eine schöne Daunendecke für den Kinderwagen. Und das war’s dann.
    » Ich glaube, wir werden ganz wunderbare Kinder haben, glaubst du nicht auch?«, plappert Lena mit einschmeichelnder Stimme weiter. » Kinder, die in Liebe gezeugt werden, sind immer besonders schön, sagt man doch.«
    Mit dieser dumpfen Volksweisheit gibt sie mir den Rest. Soll ich wegrennen

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