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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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dieser böse Zwischenfall von eben längst und vollständig erledigt, alles vergeben und vergessen, jeder hätte sein Unrecht eingestanden, jeder dem anderen verziehen, wir wären traut vereint für immer und ewig und stürben glücklich am selben Tag. Als ich mich setze, nimmt Lena ganz schnell meine Hand, und ehe ich irgendetwas sagen kann, formt sie lautlos mit den Lippen nur ein Wort:
    » Verzeih…«
    Und plötzlich verstehe ich, weshalb sie so erschrocken war. Ich habe sie tatsächlich überrascht. Allerdings nicht mit einem anderen Mann, nicht bei einem kompromittierenden Telefonat, nein! Sie hat sich nur einfach… entspannt… Sie hat für einen Augenblick vergessen, dass man sich wenige Minuten nach einer solchen Szene, wie sie sie gerade hingelegt hat, entsprechend verhält, also mindestens nervös sein Taschentuch/die Serviette zerknüllt, gegebenenfalls sogar heult und schluchzt. Ich bin zu früh vom Klo zurückgekommen, das ist es. Sie hat nicht rechtzeitig den erforderlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt…
    Nein, Unsinn, das bilde ich mir ein. Es sind meine ewigen Eskapaden, die sie erschreckt haben, sie ist zermürbt und ratlos, sie weiß nicht mehr, wie es mit uns weitergehen soll. Ich bin sogar bereit zu glauben, dass sie Angst hat, jetzt, da unsere Beziehung quasi ihren Kulminationspunkt erreicht hat, könnte ich möglicherweise abspringen, den wunderbaren Heiratsantrag (der dummerweise nicht von mir kam, was es umso schlimmer macht) einfach in den Wind schlagen und das Weite suchen. Aus ihrem Leben verschwinden, die Tür in die Zukunft zuschlagen, oder wie heißt das in ihren Frauenmagazinen? Also Zigaretten holen gehen. Ich bin bereit, daran zu glauben, dass mir ihr Gesicht nur so vollkommen ausdruckslos schien, dass ich mir ihr Erschrecken nur eingebildet habe. Ich bin bereit, zuzugeben, dass ich in letzter Zeit ziemlich viel rauche und trinke, dass ich aus diesem Grund möglicherweise beginne zu halluzinieren und dass ich mir diesen Konflikt bloß zusammenfantasiert habe, als ich auf der Toilette saß. Aber ich bin nicht bereit, daran zu glauben, dass ihr einfach alles nur absolut gleichgültig ist– so wie mir… Liebe, Sex, Leidenschaft, Gefühle, Untreue, Heirat–, absolut alles. Alles nichts als Dekoration.
    » Nein, ich muss dich um Verzeihung bitten«, antworte ich ganz automatisch. » Ich arbeite in letzter Zeit zu viel. Ich muss etwas daran ändern… Ich muss etwas ändern…«
    » Du bist erschöpft«, sagt Lena eindringlich. » Manchmal hasse ich mich richtig…Ich… Ich habe Angst, dich zu verlieren…«
    Jetzt müsste ich ihr in die Augen sehen, aber ich habe mich noch nicht wieder ganz gefangen. Mit aller Energie versuche ich den Gedanken zu verscheuchen, dass Lena mir nur etwas vorspielt, so wie ich ihr, aber es gelingt mir nicht. Ich brauche einen Beweis, dass ich mir das alles nur eingebildet habe. Um mich wieder in die Spur zu bringen, ziehe ich meine höchste Trumpfkarte:
    » Wo wollen wir unsere Hochzeit feiern? Vielleicht in Petersburg, was meinst du?«
    Dabei denke ich plötzlich: Pass auf, du Idiot, du musst mehr englische Ausdrücke verwenden! Endlich hebe ich den Blick und sehe, dass Lenas Näschen sich lustig kräuselt, weil sie anfängt zu schluchzen. Reflexartig sehe ich die Weinflasche an und bemerke, dass sich deren Inhalt deutlich verringert hat.
    » Honey, what’s wrong?« Ich beuge mich zu ihr, tupfe ihr die Tränen mit meiner Serviette ab und sehe mich dabei verstohlen im Raum um.
    Fuck, ich hasse es, wenn mich die Leute mit einer heulenden Braut am Tisch sitzen sehen! Andererseits– ist das nicht der Beweis für ihre Aufrichtigkeit?
    » Ich bin so eine dumme Pute!«, schnieft Lena. » Entschuldige, meine Nerven sind überreizt, ich wollte überhaupt nicht über Sex reden, und über diese blöde Arbeit auch nicht… Verstehst du… Verstehst du, ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen soll. Ich wollte es dir eigentlich noch nicht sagen, aber…«
    Sie trinkt ihren Wein aus, ich ziehe die Weinflasche vorsichtig näher zu mir.
    » Ich dachte, ich sage es dir nachher, wenn wir nach Hause fahren. Weißt du, ich…«
    » Lena, was ist denn bloß los?«
    » Verstehst du… Meine… meine Regel ist ausgeblieben…«
    Fast hätte ich sie gefragt: Weiß das deine Mutter? Aber ich kann mich gerade noch beherrschen und bringe das nicht weniger idiotische: » Wie meinst du das?«
    Ich sehe Lena an und weiß nicht, ob ich mich ärgern oder lachen soll. Auf der einen

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