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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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meiner Autobiografie verwenden, oder im Interview mit Esquire. )
    Apropos Essen– ich könnte was zwischen die Kiemen gebrauchen. Dummerweise gibt es in meinem Kühlschrank mal wieder außer Saft und Cola nur Cola und Saft. Anscheinend hab ich mich in die Küche von Kate Moss verirrt. Das hier ist ohne jeden Zweifel der typische Kühlschrank eines typischen Supermodels. Fehlt nur die Spritze. Aber Moment, jetzt frage ich mich doch… Also, als ich gestern Abend nach Hause kam, hatte ich doch eine Tüte mit Sushi dabei… Oder hab ich das geträumt? Bin ich jetzt völlig abgedreht? Halluziniere ich? Also los, Wohnung absuchen. Ahhh, da ist sie ja! Also ist meine innere Festplatte doch noch intakt. Nur zu trinken gibt’s nichts mehr, ich muss das Zeug trocken fressen, keine Chance. Nicht viel besser als Frolic.
    Jedenfalls– als Effkäiptafte diempn mia die Büfer… ich meine, als Escapetaste dienten mir die Bücher, die meine Mutter aus Russland mitgenommen hatte. (Entschuldigung, ich hab echt Kohldampf!)
    Acht Kisten mit Büchern. Dann gab es noch die amerikanischen Fernsehserien, die mich mit Lebensweisheiten versorgten, die ich von meinem Vater im fernen Russland nicht bekam. Die spärlichen Telefonate mit ihm brachten mir gar nichts. Ich erinnere mich allerdings noch genau daran, wie ich irgendwann auf CNN Panzer durch Moskau fahren sah, die ein gewisses » Weißes Haus« im Zentrum beschossen. Über Moskau wusste ich ja praktisch nichts. Mama dankte Gott auf den Knien, dass wir rechtzeitig abgehauen waren, und mir schienen in diesem Moment die Prügeleien mit den Schwarzen und meine » Nike Air Jordan«-Schuhe auch die bessere Wahl, verglichen mit der Möglichkeit, in der Hauptstadt meiner ehemaligen Heimat unter die Ketten zu geraten. Für weitere fünf Jahre war mir jegliches Verlangen, nach Russland zurückzukehren, vergangen. Ansonsten weiß ich nur noch wenig von meinem Leben in den USA . Mama arbeitete, dann heiratete sie einen russischen Ingenieur, weil sie dachte, der sei immer noch besser als ein halbkrimineller Millionär, der morgens noch Ehrengast im KGB -Knast in der Lubjanka ist und abends schon Insasse. Aber irgendwann hing ihr der Typ doch zum Hals raus und sie trennten sich… Burps! O Gott, wie ekelhaft! Das kommt davon, wenn man Sushi trocken frisst.
    So, langsam sollte ich in meine Klamotten steigen. Aber in welche? Wie sieht’s denn draußen aus? Aha, Sonne, wenn ich mich nicht irre. Scheiße, diese idiotische Haushaltshilfe hat mal wieder meinen Anzug nicht aus der Reinigung abgeholt. Sogar dafür ist sie zu doof. Halt, stopp, ich hab ihr für den letzten Monat noch keine Knete gegeben. Also bin ich selber der Esel. Aber immerhin habe ich ein bisschen mehr um die Ohren als diese müde Mutti. Sie hätte ja ruhig mal was sagen können! Andrej Sergejewitsch, darf ich Sie höflichst daran erinnern… und so weiter. Aber nein, schmeißt sofort den Kram hin! Irgendwie kompliziert alles. Alles ist bei uns kompliziert.
    Okay, dann also volkstümliches Outfit. Jeans, Jeans und nochmal Jeans. Die hier hab ich leider mit Wein eingesaut, die hier mit …weiß nicht, mit irgendwas Undefinierbarem, und die auch. Mist, alle eingesaut. Ah, hier ist eine, großartig, eine wunderbare, vorzügliche, blitzsaubere Jeans! Was noch? Pullover? Irgendwo müsste doch mein brauner Etro rumfliegen. In der Küche ist er jedenfalls nicht.
    Ich wüsste wirklich gerne mal, wie es angeht, dass ein gewisser Andrej Mirkin in einer Sechzig-Quadratmeter-Wohnung keinen Pullover findet. Nicht einen. Im Bad ist er jedenfalls auch nicht.
    Ja, was ich noch von der Schule erzählen wollte… Also, irgendwann hatte ich sie hinter mir. Und dann, an einem strahlend schönen Tag im Sommer, rief mein Vater an und sagte, er sei gerade im Waldorf Astoria. Ich bin sofort hin. Wir trafen uns in der Hotelhalle, ungefähr so wie ehemalige Kommilitonen, die während des Studiums nichts miteinander anfangen konnten. Vor der Tür wartete schon ein Mietwagen und wir zischten ab in die 57ste, in einen » Russian Tea Room«. Ich muss wohl nicht extra betonen, dass mir nach fünfjähriger Abstinenz der Beluga-Kaviar wie himmlisches Manna vorkam. Sehr teures, sehr schwarzes Manna.
    Apropos, der Pullover war auch nicht gerade billig. Wo hab ich den bloß verschlampt? Ah, vielleicht im Schrank? Mist, nur Socken! Alles voller Socken! Hier sieht’s aus wie bei einem Tausendfüßler. Hier ist er auch nicht. Vielleicht hab ich ihn ja letzte Woche bei

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