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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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sagen, damit ich sicher bin, dass ich nicht träume?«
    » Ein Genie!«, brülle ich. » Einfach so mit links alle Probleme ausgeräumt!«
    » Nicht ganz. Es gibt noch ein echtes Problem.«
    » Was stimmt schon wieder nicht?«, frage ich kapriziös.
    » Auf deinem Diktafon ist das Interview mit Bucharow nicht zu finden. Ich habe es dreimal überprüft.«
    » Wie– nicht zu finden? Was soll das heißen? Ich habe alles überprüft, das Gerät hat tadellos funktioniert! Das ist Sabotage! Da will mir jemand eins auswischen! Den… den mach ich fertig! Das gibt richtig Ärger! Dafür wird mir jemand büßen! Dafür werden Köpfe rollen!«
    » Mag sein. Aber es ist nun mal nicht da.«
    » Sauerei!« In meiner Magengrube meldet sich ein unangenehmes Stechen. » Na gut, das klären wir noch. Was war jetzt mit den Anrufen?«
    Monoton leiert Vera herunter, wer angerufen hat und was er von mir wollte. Mit einem Ohr höre ich ihr zu und checke währenddessen meine E-Mails.
    » Das Interview mit Tinkow kann nächste Woche stattfinden, ich habe mit seiner PR -Abteilung telefoniert.«
    » Was du nicht sagst!«
    » Dann hat Gleb angerufen, er will wissen, was mit der Kolumne ist, die Petersburger laden zu einer Party im Ginza ein.«
    » Hm…«
    Während sie mir die Details erläutert, stoße ich auf eine Nachricht von Pascha Alfjorow, dem Records-Manager von der Polygram. In der Betreffzeile steht: » Deine Disc«. Ich klicke auf Öffnen. In gleichen Moment kreischt mir Vera ins Ohr:
    » Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
    Vor Schreck mache ich eine ruckartige Bewegung mit meiner freien Hand und stoße mein Glas um. Die Cola ergießt sich über die Tastatur. Drei Sekunden später erlischt das Display.
    » Verdammte Scheiße!«, brülle ich ins Telefon. » Arschloch! Arschloch! Arschloch!«
    » Wie bitte?«
    » Verdammte Scheiße! Du dummes, beschissenes Arschloch! Du elender Scheißkerl!«
    » Andrej, bist du jetzt völlig übergeschnappt?«
    » Ich meine nicht dich!«, schreie ich weiter. » Alles im Arsch! Aus und vorbei!«
    Immer weiter schreiend, schalte ich den Computer aus und bearbeite die Tastatur fieberhaft mit einem Taschentuch.
    » Was ist denn passiert? Wieso schreist du wie angestochen?«
    » Ich… ich hab hier gerade den technischen Supergau! Die Apokalypse! Die Krise! Vera, ich kann jetzt nicht, ich rufe dich zurück!«
    » Kannst du mir nicht einfach erklären, was los ist?«
    » Mein Computer ist im Eimer!«
    » Dein Computer?«
    » Mann, Vera, nerv nicht, ich rufe dich später an, oder ruf du mich an, in einer Stunde, nein, in zwei Stunden!«
    » Aber wieso denn?«
    » Ich muss Schluss machen! Tschüss!«
    Ich schmeiße das Telefon in die Ecke und scheuere wieder wie ein Irrer an der Tastatur herum, drehe das Notebook auf den Kopf, damit die Cola ablaufen kann, stelle es ganz vorsichtig wieder hin und schließe den Stecker an: Keine Reaktion, das Display bleibt tot, toter als tot, ein schwarzes Loch. Ich rase wie eine desorientierte Schmeißfliege durch die Wohnung, rauche eine nach der anderen, stelle mich schließlich vor lauter Verzweiflung unter die Dusche. Als das Wasser auf meinen Kopf prasselt, fällt mir auf, dass ich noch eine Zigarette im Mund habe. Innerhalb von Sekunden ist sie durchgeweicht und bricht ab. Wütend spucke ich den Filter aus. Es fehlt nicht viel und ich fange an zu flennen. Zwanzig Minuten bleibe ich unter der Dusche, verbrauche eine ganze Flasche Nickel-Menthol-Gel. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, ich kann überhaupt keinen Gedanken mehr fassen. Um mich halbwegs wieder einzukriegen, versuche ich es mit Zähneputzen. Lacalut brillant, mein Halt und Anker.
    Ohne mich richtig abzutrocknen, renne ich mit dem Fön ins Wohnzimmer und nehme mir wieder die Tastatur vor. Zehn Minuten lang föne ich mein Notebook, bis es nach verschmortem Plastik riecht. Dann strecke ich einen zitternden Finger nach dem Netzschalter aus und bete zu allen Himmeln (und zu meinem Notebook):
    » Bei allen Heiligen, ich flehe dich an! Du weißt ja gar nicht, wie wichtig diese E-Mail für mich ist! Gerade jetzt! Grauenhaft wichtig ist mir diese E-Mail! Bitte! Ich weiß doch, du kannst es! Bitte, bitte!«
    Der Finger senkt sich auf den Schalter, drückt und… Wunder über Wunder! Er funktioniert! Ungeduldig knete ich meine Finger und warte, bis der Computer hochgefahren ist. Die Verbindung mit dem Internet wird hergestellt. Ich gehe auf mail.ru, finde Alfjorows Brief, recke zwei Finger in die Höhe: »

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