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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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empfinde ich uns als Einheit. Ein einziger, nutzloser Organismus.
    » Los, wir gehen«, sagt sie plötzlich.
    » Wohin?«
    » Wir lassen den Test machen. Vielleicht hast du ja recht. Vielleicht bist du sauber, und ich… Ich weiß nicht. Los, steh auf!«
    Wir gehen in den Flur. Während Rita ihre Turnschuhe anzieht, sammle ich die Geldscheine vom Fußboden auf.
    » Brauchst du das Geld wirklich nicht?«, frage ich für alle Fälle. Rita schüttelt den Kopf.
    Wir gehen aus dem Haus, steigen in ihren neuen Lexus. Ich würde ihr gern ein Kompliment wegen ihres Autos machen, kann es aber gerade noch runterschlucken. Als ich mich anschnalle, merke ich, dass die Angst mir wieder alle Kräfte geraubt hat. Vor meinen Augen schwirren weiße Mücken herum… Oder Schnee! Jedenfalls irgendein Mist, der mir die Sicht behindert. Rita gibt Gas. Wir fahren lange… oder auch nicht lange, ich achte kaum darauf, wohin wir fahren und mit welcher Geschwindigkeit. Keiner sagt ein Wort. Albernerweise fällt mir auf, dass mich die ganze Zeit niemand angerufen hat. Ich prüfe sogar nach, ob mein Handy eingeschaltet ist. Als wäre die ganze Stadt erstarrt in Erwartung meines Testergebnisses.
    Dann taucht ein graues Gebäude vor uns auf, ähnlich wie eine Schule, mit Portikus, Außentreppe und hellblauem Schild darüber. Als wir aussteigen, rümpfe ich automatisch die Nase. Es riecht nicht nach Schule. Es riecht nach Krankenhaus. Immer noch schweigend gehen wir in das Gebäude, durchqueren eine weitläufige Vorhalle und bleiben vor einem Empfangsschalter stehen. Rita schiebt Geld durch ein kleines Fensterchen, eine Hand erscheint, nimmt die Scheine und reicht ein graues Zettelchen zurück, die Quittung. Oder die Einweisung. Oder wie heißt das Ding? Wir steigen in den ersten Stock hinauf und setzen uns auf eine Bank. Ich fühle mich wie ein Schlafwandler. Es dauert eine ganze Weile, bis ich bemerke, dass auf der Bank uns gegenüber noch jemand sitzt. Zwei Jungen und eine Frau, die vor uns dran sind. Sie sehen aus wie Tuschezeichnungen, über die jemand Wasser gegossen hat. Drei Farbflecken: ein grün-brauner, ein oranger und ein grauer. Genauer kann ich nicht beschreiben, was ich sehe– vor meinen Augen hängt ein trüber Schleier und verwandelt alles in verschiedenfarbige Flecken. Dass einer der Flecken eine Frau ist, erkenne ich nur an der Stimme. Wie lange wir warten, weiß ich nicht. Eine Stunde. Oder zwei. Die Zeit dehnt sich endlos.
    » Der Nächste!«, sagt eine Stimme von weit her.
    Rita stößt mir den Ellenbogen in die Seite und flüstert: » Geh schon!« Auf Watteknien schleiche ich ins Behandlungszimmer. Eine Krankenschwester stellt mir eine Frage, ich nicke, sie wiederholt die Frage. Wie in Zeitlupe krempele ich meinen Ärmel bis zum Ellenbogen auf. Sie bindet mir den Oberarm ab, viel zu fest, die Binde schneidet schmerzhaft in den Bizeps, dann reibt sie mir die Haut in der Armbeuge mit einem Wattebausch ab, sagt wieder irgendwas, ich glaube: » Machen Sie eine Faust«, oder so. Dann sticht sie mir mit einer kurzen, energischen Bewegung die Nadel in den Arm. Vor Schreck schießen mir die Tränen in die Augen. Ich glaube zu fühlen, wie das Blut aus meinem Körper läuft und läuft und läuft… Gerade als ich denke, ich werde im nächsten Moment zusammenschnurren wie ein Luftballon, wie eine Luftmatratze, aus der die Luft entweicht, höre ich: » So, das war’s, wir sind fertig«. Sekunden später bin ich wieder draußen auf dem Korridor. Mit der rechten Hand presse ich einen Wattebausch auf meinen Arm, in der linken halte ich einen Zettel, den mir die Krankenschwester gegeben hat. Wie ein gehetztes Tier schaue ich mich um, Rita ist nirgendwo zu sehen. In finsterster Stimmung trotte ich die Treppe hinunter und zum Ausgang. Rita steht vor dem Krankenhaus und raucht.
    » Gib mir eine Zigarette!« Ich erkenne meine eigene Stimme nicht mehr. Rita hält mir schweigend die Packung hin. Ich starre sie an, unfähig zu entscheiden, wie ich an die Zigarette rankommen soll: Mit einer Hand halte ich die Watte, mit der anderen den Zettel. Schließlich schlägt Rita eine Zigarette aus der Schachtel, steckt sie mir zwischen die Lippen und gibt mir Feuer.
    » Hast du angefangen zu rauchen?«, frage ich überflüssigerweise.
    » Willst du mir jetzt sagen, dass das schädlich für die Gesundheit ist?« Sie schaut mich mit rot verweinten Augen an. » Schmeiß doch endlich die Watte weg, es blutet schon längst nicht mehr!«
    Gehorsam versenke

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