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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Janna liegen lassen… Warte mal, das haben wir gleich.
    » Hallo, Janna, grüß dich! Ja, ja, prima alles, hm-hm. Bei dir auch? Das freut mich für dich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das freut. Du, dein Bruder interessiert mich im Augenblick grad weniger, ich wollte dich eigentlich bloß fragen, ob ich letzte Woche nicht zufälligerweise meinen Pullover bei dir… Nein? Bestimmt nicht? Danke dir. Ja, das mit deinem Bruder kannst du mir später mal erzählen, ich hab’s grad eilig, weißt du. Außerdem klingelt es auf der anderen Leitung… Ciao!«
    Während des Mittagessens nahm mein Vater mit festem Griff meine Hand und sprach ungefähr folgendermaßen zu mir:
    » Andrej! Ich will nicht, dass du nach Russland zurückkommst. Ich weiß, es geht dir hier nicht besonders gut, aber das, was dich dort erwarten würde, wäre zu hart für dich. Das stehst du nicht durch.«
    Was er mir dann alles im Detail über die grauenhaften Zustände in Russland erzählt hat, hab ich vergessen, aber ich vermute, es war die übliche Leier. Jeder, der nach Amerika kommt, hat offenbar einen irren Spaß daran, herumzuerzählen, wie beschissen es in Russland ist.
    Aber mir fiel plötzlich auf, dass seit vollen fünf Jahren in Russland nicht mehr geschossen wurde (zumindest nicht mit Panzern).
    Kam auf die Fahndungsliste,
    knüppelte meinen ersten Benz,
    hab mir reingezogen, was geht, saß fest auf Met.
    Der Knast hat mich kuriert, oh danke!
    Fünfzehn Jahre Lager, der hohe Norden,
    nichts als Mücken und Brutalovisagen …
    Als mir klar wurde, dass ich mein ganzes Leben lang lernen und arbeiten müsste, nur um irgendwann eine günstige Hypothek für ein kleines Häuschen in einer halbwegs intakten Gegend zu verdienen, hab ich meine Sachen gepackt und bin abgehauen. Eine Hypothek, das war ganz bestimmt nicht meine Vorstellung vom amerikanischen Traum, sofern es einen amerikanischen Traum überhaupt gibt. Na egal, ich träume jedenfalls von anderen Sachen. Man muss eben immer sehen, wie man sich positioniert.
    » Hallo! Lena? Lenotschka, meine Sonne! Hm-hm, danke… Welche Finissage? Wann? Nein, keine Zeit, da hab ich ein Meeting. Jetzt hör mal gut zu, was ganz Wichtiges: Ich hab nicht zufällig letzte Woche meinen Pullover bei dir liegen lassen? So ein brauner… Was? Nein? Ich war letzte Woche gar nicht bei dir? Wie das denn? Ich soll nicht bei dir gewesen sein? Na dann, entschuldige! Mein Handy klingelt gerade!«
    Also fuhr ich zum Flughafen, in der Tasche Mamas gute Ratschläge, zweieinhalbtausend Grüne von meinem Job beim Pizza-Service und vom Verkauf meines alten Toyota Camry. Zehn Stunden Flug, freundliche Stewardessengesichter, erste Klasse Delta Air Lines, Champagner inklusive (meinen Dank an Papa!), und dann…
    Dann erst einmal der eisige Norden … Moskau im Schnee.
    » Grüß dich. Welkamm hohm, wie man bei euch sagt. Du Idiot. Mir geht wirklich nicht in die Birne, wieso du hier aufkreuzt. Aber ändern kann man’s jetzt auch nicht mehr.«
    » Wieso bist du in einem Polizeiauto gekommen, Papa?«
    » Das ist ein Mercedes-Geländewagen, kein Polizeiauto.«
    » Und wieso hast du dann ein Blaulicht auf dem Dach?«
    » Sowas wollte ich als kleiner Junge immer schon mal haben. Jetzt hab ich’s. Los, steig ein.«
    Papa hatte einen unauffälligen Mann dabei, der ihm überall die Tür aufhielt, sich ständig misstrauisch umschaute und ihn manchmal vor irgendwelchen Leuten abschirmte. Anfangs kapierte ich nicht, dass das ein Bodyguard war. Ich dachte, nur Filmstars und Politiker hätten Bodyguards. Aber in Russland hat jeder einen Bodyguard, wenn er sich einen leisten kann.
    » Hallo! Katjusch, grüß dich! Wie war dein Shooting? Das ganze Casting war ein Reinfall? Scheiße, diese blöden Affen! Was hab ich versprochen? Hör mal, nein, jetzt wart doch mal, ja, gleich, eins nach dem anderen! Sag mir erst mal, ob ich nicht zufällig letzte Woche meinen braunen Pullover bei dir… Nein? Kein Pullover? Also Fehlanzeige… Ja, ja, das Casting, ich hab’s gehört… Wieso hab ich dich verarscht? Klar ist er mein Freund! Doch, logo hab ich ihn angerufen, natürlich. Was soll das heißen, meine Empfehlung ist einen Scheißdreck wert? Was? Du bist die Pfeife! Was kann ich denn dafür, dass du so ein Trampeltier bist, dass du bei jedem Casting durchfällst? Nein, ich hab dir doch gesagt, ich habe ihn angerufen! Weiß ich doch nicht! Das solltest du selbst am besten wissen, warum er dich nicht genommen hat. Es kommt eben immer

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