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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Einen Autounfall hatte? Was kann dich beeindrucken? Wieso muss ich hier überhaupt den Affen machen?
    » Wissen Sie, letzte Woche konnte ich nicht, da lag ich nämlich im Krankenhaus«, fange ich an und blicke mitleidheischend auf meine Fußspitzen. » Und wenn ich dieses Interview jetzt nicht machen kann, dann werde ich gekündigt…«
    » Wirklich?« Einerseits glaubt sie mir nicht, andererseits genießt sie sichtlich das Gefühl, mein Schicksal in ihren spröden Händen zu halten. » Ich könnte eventuell noch einmal mit Igor Olegowitsch sprechen. Rufen Sie mich heute Abend an.«
    Gerade als ich überlege, ob ich ihr den Aschenbecher über den Schädel hauen soll, betritt ein Mann im Tennisshirt und Schlaghosen das Restaurant. Wie von der Tarantel gestochen springt die Vorzimmermegäre auf.
    » Oh, guten Tag, Igor Olegowitsch!«, zwitschert sie wie eine Lerche bei unerwartetem Frühlingseinfall.
    Aber bevor sie einen weiteren Ton sagen kann, hechte ich von meinem Stuhl auf den Typen, also ihren Chef, los und quatsche wie ein Maschinengewehr auf ihn ein:
    » Guten Tag, Herr Bucharow, ich bin, äh, Andrej Mirkin vom Beobachter, wir hatten uns zu einem Interview verabredet, und ich…«
    » Das war letzte Woche, Igor Olegowitsch, aber es ist keiner gekommen!«, keift die Megäre dazwischen. » Ich habe dem jungen Mann schon erklärt, dass Ihr Terminkalender bis oben hin voll ist!«
    » Ah, ja, dieses Glamour-Magazin, ich erinnere mich«, sagt Bucharow und steuert in Richtung Bar. » Wieso sind Sie denn nicht erschienen?«
    » Ja, also weil… weil ich… Verstehen Sie, Igor Olegowitsch, es ergaben sich einige unvorhergesehene Umstände, die äh…«
    » Also verpennt, oder wie?«, sagt er und lacht entwaffnend.
    » Also, irgendwie ja. Und am Freitag muss ich den Artikel abgeben«, krächze ich, überrumpelt von so viel Direktheit.
    » Ja, ja! Diese Journalisten. Immer dasselbe. Am Freitag muss das Ding fertig sein, und er ist eben gerade aufgewacht.« Er blinzelt mir ironisch zu. » Also dann. Komm morgen um halb sechs vorbei. Aber sei pünktlich. Ich habe genau eine Stunde Zeit für dich.«
    » Danke, Igor Olegowitsch. Das ist wirklich großartig. Ich hab schon nicht mehr daran geglaubt, dass es noch klappt.«
    » Schon gut. Also dann wie abgemacht!« Er geht hinter den Tresen und spricht mit seinem Barmann. Und ich stehe da wie ein Idiot und weiß nicht, wie ich mich verabschieden soll. Weil mir nichts Besseres einfällt, presse ich heraus:
    » Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen!«
    Er nickt mir flüchtig zu.
    » Alles Gute, Igor Olegowitsch!«
    » Ja, ja, alles Gute, am Arsch hängt die Rute«, feixt er.
    Ich schnappe mir meine Tasche vom Tisch und sehe zu, dass ich wegkomme.
    Wieder auf der Straße, überlege ich, ins Schatjor zu gehen, das sich direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet– ein schwimmendes Sommercafé, das ebenfalls zu Bucharows Imperium gehört. Aber angesichts des undurchdringlichen Verkehrs schwenke ich um und laufe Richtung Metro. Nach ein paar Schritten sehe ich vor mir eine langbeinige Brünette, die angeregt in ihr Handy spricht. Ich beschleunige meinen Schritt, bewundere ihre gut gebauten Beine, die schlanken Fesseln und, nicht zuletzt, ihr kurzes Kleidchen, und fasse spontan den Entschluss, aus diesem verkorksten Tag wenigstens noch das Beste herauszuholen. Man muss schon Schwein haben, wenn einem an diesem Ort so ein junges Ding über den Weg läuft, noch dazu allein. Ich glaube sowieso allmählich, dass alle hübschen Mädchen vom fünfzehnten Lebensjahr an von unseren Oligarchen oder den Moskauer Zuhältern in speziellen Listen systematisch erfasst werden. Und kaum sind sie siebzehn geworden– zack, werden sie weggeschnappt.
    Ich angele zwei abgelaufene Einladungskarten zu einem Konzert zu Ehren von Michael Jackson aus der Tasche (er selber war, versteht sich, nicht zugegen), warte, bis sie ihr Telefongespräch beendet hat, und spreche sie an.
    » Hallo! Sie haben etwas verloren!«
    » Meinen Sie mich?« Sie dreht sich um. Riesengroße braune Augen, die mich erstaunt ansehen, volle Lippen, die Haare zu einem Pferdschwanz gebunden – eine junge Studentin. Traum eines jeden Pornoproduzenten. Aber während diese Rolle auf den einschlägigen Porno-Sites regelmäßig von gestandenen Pornodarstellerinnen jenseits der dreißig gespielt wird, ist die hier echt. Sie ist wirklich erst neunzehn oder zwanzig, hat eine ganz frische Haut, nicht das kleinste Fältchen in den

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