Neonträume: Roman (German Edition)
Finanzkrise, dreihundert Dollar angenommen habe gegen das Versprechen, seine versiffte Kneipe ( » Das Fenster« heißt der Laden, was für ein idiotischer Name!) auf meiner Website zu listen. Eigentlich wollte ich fünfhundert, aber ich bin eben, erstens, zu nachgiebig und dieser Typ ist, zweitens, ein absolutes Schlitzohr, so dass wir am Ende bei dreihundert landeten. Dafür bin ich dann ein paarmal mit Freunden in seinem Schuppen eingefallen, und wir haben uns auf seine Kosten nach Kräften abgefüllt. So gleicht sich das aus. Ich frage mich bloß, was diese Galina jetzt von mir will?
Ich schalte um auf seriöser Geschäftsmann: » Ja, bitte?«
» Andrej? Galina am Apparat, die Assistentin von Boris Anatoljewitsch!«
» Ich habe Sie schon an der Stimme erkannt!« (Seine Assistentin, oha! Wobei assistiert sie ihm denn?)
» Andrej, Boris Anatoljewitsch möchte für diese Woche gern einen Termin mit Ihnen machen.«
» In welcher Angelegenheit?«
» In der Angelegenheit… äääh…Ihrer Zusammenarbeit.«
» Und worum geht es genau? Ihr Lokal ist auf der Website gelistet, was ist denn noch?« (Termine mit Idioten gehen mir auf den Sender.)
» Ja, ja, das ist alles in Ordnung, aber er möchte sich trotzdem gern mit Ihnen treffen. Wann passt es Ihnen?«
» Tja, in dieser Woche ganz schlecht.« (Genauer gesagt: Es passt mir überhaupt nicht, mich mit Ihnen zu treffen. Kein halbwegs zivilisierter Mensch möchte das.)
» Vielleicht könnten Sie sich ja ein paar Minuten freimachen?«, wimmert sie devot.
» Das ist leider sehr unwahrscheinlich.« (Obwohl, warte mal… Ich könnte mich mit Rita zusammen zum Essen einladen lassen. Das Lokal ist zwar lausig, aber ich kann ihr ja erzählen, man wolle mir einen Beratervertrag anbieten.)
» Na gut, sagen wir, morgen um drei. Ist Issajew da?«
» Boris Anatoljewitsch ist immer da.«
(Klar ist er immer da, was anderes kann er ja nicht, weil er eine Pfeife ist.)
» Na, wunderbar! Also ist das abgemacht.«
Ich fange an zu grübeln, was ich jetzt machen soll. Zu Marina zu fahren ist witzlos, solange ich die Kohle nicht habe. Soll ich jemanden anpumpen? Meine Freunde? Schwierig. Jemanden im Büro? Ganz schlecht fürs Image. Bleibt eigentlich nur eins: Ich muss meine neue goldene Kreditkarte, die ich letzte Woche von der Citibank bekommen habe, plündern. Am Monatsende kann ich ja wieder umschichten. Schade natürlich, ich hatte andere Pläne damit. Aber zu Marina fahre ich heute trotzdem nicht mehr, mir ist irgendwie nicht danach. Außerdem habe ich wirklich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel das Interview mit Bucharow. Und ich bin mit ein paar Freunden im Sungate auf der Twerskaja verabredet, da will ich ungern zu spät kommen. Irgendwann muss ich auch mal richtig ausschlafen. Aber das ist eh nur ein frommer Wunsch– bei meinem Lebensrhythmus…
Im selben Augenblick, in dem ich die Hand nach der Tür des Restaurants Nostalgia ausstrecke, fällt meine Aufmerksamkeit auf eine Braut, die im Café des Multiplexkinos Roland sitzt. Eine Rotblonde in ultrakurzem Kleid, gute Beine, klasse Brust. Sie sitzt halb abgewandt, so dass ich ihr Gesicht nicht sehe. Ich schaue zu ihr rüber, ziehe dabei die Tür auf und überlege, wie ich sie auf mich aufmerksam machen kann. Louis Armstrong schallt mir entgegen, » It’s a Wonderful World«. Ganz automatisch, quasi zum Klang der Musik, mache ich einen Schritt vorwärts und pralle mit einem Typen zusammen. Mit einem schnellen Blick in sein Gesicht registriere ich, dass es sich bei meinem Gegner um Jora Petruschin handelt, den Eigentümer der Firma Zeppelin Productions und Mitinhaber des Klubs » The Brücke«. Er hat eine Zeitung und einen Haufen Papierkram unter den Arm geklemmt, belabert das Handy zwischen Ohr und Schulter, wahrscheinlich den nächsten Event, während er gleichzeitig versucht, die Tür zu öffnen, ohne dabei Zeitung, Papiere oder Handy fallen zu lassen. Als wir zusammenstoßen, rutscht ihm seine Sonnenbrille von der Stirn (eine Ray Ban Wraparound, würde ich sagen). Die Brille fällt– unendlich langsam, wie in Zeitlupe–, und während wir beide, er und ich, wie gebannt dabei zusehen, denke ich, dass ich Jora vor zwei Wochen unser Demotape, zusammen mit reichlich Infomaterial, geschickt habe und fest damit rechne, dass er uns produzieren wird. Aber jetzt, während sich die Sonnenbrille unaufhaltsam dem Fußboden nähert, sehe ich meine Chancen, von Petruschin produziert zu werden, genauso unaufhaltsam gegen null
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