Neonträume: Roman (German Edition)
Hand verlassen wir das Kino, schlendern hinüber auf die andere Seite des Neuen Arbat und weiter bis zum Praga. Dann biegen wir in den Boulevard ein und gehen bis zur Metrostation Kropotkinskaja. Die ganze Zeit reden wir kaum ein Wort. Ganz am Rande meines Bewusstseins schimmert heimtückisch der Gedanke auf, dass wir unseren Redestoff für heute wohl verbraucht haben, aber sofort verscheuche ich dieses garstige Teufelchen aus meinem Hirn.
An der Metrostation versuche ich eine volle Viertelstunde lang, Katja zu überreden, mit dem Taxi nach Hause zu fahren, aber sie besteht hartnäckig darauf, mit der Metro sei es viel praktischer. Schließlich lasse ich sie gehen, halte für mich selbst ein Taxi an und grübele darüber nach, ob sie vielleicht einfach nicht wollte, dass ich höre, wie sie dem Fahrer ihre Adresse sagt. Aber viel schöner ist der Gedanke, dass sie nur kein Geld von mir annehmen wollte.
Glamour-Rotz
Gegen elf Uhr abends erreiche ich die Simatschow-Bar. Es ist schwül. Vor dem Eingang stehen ein paar Leute, von denen ich aber niemanden kenne. Also gehe ich rein. Da ist die Luft noch drückender. Der Laden ist rappelvoll. Ich kämpfe mich zur Bar durch und versuche, einen Mojito zu bestellen, gerate dabei aber zwischen zwei Fitness-for-ever-Typen, die mich, im Bestreben, ihre Bräute zu beeindrucken, fast plattdrücken. Na gut, dann ein andermal.
Ich schiebe mich am DJ -Pult vorbei und winke Fjodor Fomin zu, aber er hat die Nase gerade über den Reglern und sieht mich nicht. Es läuft Nikita, ein Stück aus der Mitte der Neunziger. Versuchen diese alten Knacker eigentlich, mit angemoderten Songs ihre verlorene Jugend zurückzuholen, oder was? Aber bevor ich mich weiter in diesen erfrischenden Gedanken vertiefen kann, geht auf der Tanzfläche ein wildes Gewoge los, alle reißen die Arme in die Luft, die Frauen kreischen, ein Typ taumelt gegen mich und schiebt mich durch die Glasperlengirlanden, die die Tanzfläche vom übrigen Raum abgrenzen. Ich lande auf einem fremden Fuß, höre ein spitzes » Scheiße«. Ich zwänge mich weiter durch die Menschenmassen und suche mit den Augen nach Lena. Statt Lena entdecke ich Anton, der mit ein paar Leuten an mehreren zusammengeschobenen Tischen sitzt.
Anton bemerkt mich, winkt mich an den Tisch. Die Gesellschaft besteht aus sieben Typen und fünf Frauen. Die Typen sehen aus wie vierzig, sind aber sicher höchstens fünfunddreißig. Alle reichlich hinüber, aber sehr stylisch. Was mich jedoch am meisten befremdet, ist die Tatsache, dass ich keinen Einzigen von ihnen kenne! Anton ist der Jüngste in der Runde (von den Mädels mal abgesehen, versteht sich; die sind wie Feen, sie haben kein Alter). An Getränken sehe ich nur Whisky und Champagner (Ruinart). Ich setze mich neben Anton, wovon allerdings von den Übrigen am Tisch keiner die geringste Notiz nimmt. Miese Snobs.
» Grüß dich«, sage ich lässig und drücke Anton die Pfote. » Was sind das denn für Gestalten hier?«
» Amüsiervolk«, grinst Anton, lässt die Augen leuchten und reibt sich die Nasenwurzel.
» Alle vollgekokst, oder wie?«
» Wir feiern Dajews Geburtstag und den Start der neuen Staffel von Desperate Housewives, für die ich die Musik geschrieben habe.« Womit er meine eigentliche Frage übergangen hat. » Das hier sind Kollegen vom Sender, ein paar Produzenten, mein Kumpel Vadim, Firmenchef, und ein paar Bräute, die ich nicht näher kenne.«
Ich finde, er klingt ein bisschen überheblich, und die Worte » Kollegen vom Sender« hat er besonders genussvoll betont.
» Ich will ja eigentlich auch zu dem Geburtstag«, druckse ich herum, » ich weiß bloß nicht, wer dieser Dajew ist. Meine… äh… Freundin ist eingeladen.«
» Welche? Rita?«
» Psst!« Ich stoße ihn in die Seite. » Lena.«
» Ach so. Eine Lena gibt es hier. Eben war sie noch irgendwo.«
» Und was hat dieser Dajew für eine Firma? Und was für ein Sender? Muss ich meinen Whisky an der Bar bestellen?« Ich versuche, möglichst viele Informationen aus Anton herauszuholen, weil ich das Gefühl habe, dass auf diese Weise ein wenig von Antons Verhältnis zu den Anwesenden auf mich abfärbt.
» Vadim Dajews Firma hat in der Serie das Product-Placement für sein Parfüm gekauft.« Anton schiebt mir ein Glas mit Whisky zu. » Die Bräute kenne ich nicht.«
» Alles klar«, mache ich und nehme einen Schluck. Ich weiß zwar immer noch nicht, um was für einen Sender es sich handelt, aber es ist anscheinend kein
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