Neonträume: Roman (German Edition)
Nicht so richtig.«
» Dann werde ich Ihnen das Nötige erklären. Folgendes: Der nächste Freitag ist für uns ein ganz besonderes Datum. Wir, das heißt, die legitimen Nachfolger der Nördlichen Loge, wollen zu dieser Gelegenheit eine schwarze Messe zelebrieren.«
In der nächsten halben Stunde textet der Blödmann mich mit komplettem Schwachsinn voll, über Fackelzüge durch die Moskauer Katakomben, unterirdische Kunstausstellungen (wahrscheinlich die Machwerke von dem Ziegenbart), Performances und Streichkonzerte. Er schwadroniert über heidnische Kulturen, Satanismus, Idiotismus, zeigt mir immer wieder Bildchen mit Ziegenböcken, Teufelchen und alten Frauen. Je länger er redet, desto stärker verspüre ich den Wunsch, einfach nur die Flucht zu ergreifen. Diese verdammte Vera, der ich diese Scheiße verdanke, hab ich inzwischen mindestens dreimal zum Mond geschickt. Aber das bringt mich hier auch nicht raus.
Also tue ich das einzig Mögliche, was man in einer solchen Lage tun kann: Ich stimme diesem Schwachkopf bei jeder seiner Idiotien überschwänglich zu und fange selber an, puren Blödsinn abzulassen. Gerade beendet er seinen letzten Redeschwall mit den Worten:
» Jedenfalls, wir brauchen für diesen Zweck einen guten Promoter.« Dann sieht er mich erwartungsvoll an.
» Wie bitte?«
» Einen Promoter«, wiederholt er ungerührt.
» Ach ja, klar, einen Promoter, natürlich«, plappere ich los. » Und brauchen Sie nicht vielleicht auch ein paar Sponsoren für Ihre Veranstaltung? Für Alk, Blumen, Deko, Licht und so weiter.
» Das wäre nicht schlecht«, nickt er beifällig.
» Okay.« Ich schalte auf Profi. » Also lassen Sie uns mal überlegen… Was halten Sie davon, wenn ich zu dieser… dieser Dings…«
» Schwarzen Messe.«
» Zu dieser schwarzen Messe in einem schwarzen Anzug von Ralph Lauren erscheine? Dazu einen schwarzen Rollkragenpulli von Prada und schwarze Converse-Turnschuhe! Hm? Überall Fackeln, viel schwarzer Stoff und dazu düsterer Trip-Hop. Denken Sie daran, der DJ muss ganz in schwarzes Leder gekleidet sein, am besten nehmen Sie gleich einen Schwarzen, genau, ein Schwarzer, das ist es, was Sie brauchen! Schwarze sind jetzt überall am Ruder. Wu-Tang Clan, Jay-Z, und natürlich Beyoncé. Nicht ganz Ihre Baustelle, schon klar, aber trotzdem ziemlich stark, ich meine, das ist wirklich ein starkes Mädel, oder? Also die DJ -Frage ist geklärt, die Musik ist auch klar. Ah, fast hätte ich es vergessen! An die Converse kleben wir so große goldene Sterne, ich hab vorhin gesehen, dass Sie die als Logo benutzen. Das wird super, ein absoluter Knaller, das verspreche ich Ihnen!«
» Was meinen Sie? Was für ein Logo?« Er hat den Kopf ein wenig schief gelegt und starrt mich an wie einen Außerirdischen. » Wir haben kein Logo. Der Stern, den Sie vermutlich meinen, ist ein Pentagramm.«
» Ach so? Na, macht nichts, dann nehmen wir eben ein Pentagramm, das geht auch, kein Problem. Also für mich ist soweit alles klar, bis morgen hab ich die Planung fertig, inzwischen spreche ich schon mal mit den Sponsoren. Wie viele Personen erwarten Sie, so über den Daumen gepeilt?«
» Dreihundert, höchstens«, antwortet er und sieht auf die Uhr.
» Hervorragend! Wunderbar!« Ich stehe auf und strecke ihm die Hand entgegen. » Tja, hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Morgen schicke ich Ihnen ein vorläufiges Konzept!«
» Morgen ist Samstag«, blinzelt er ungläubig.
» Wir Promoter haben kein Wochenende.«
Er begleitet mich zur Tür, wir verabschieden uns, ich hebe den Blick und sehe direkt über mir an der Wand das Wort WARUM ?– das gleiche Graffito wie an der Krassina-Straße. Das Verlangen, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, steigert sich ins Unermessliche. Wie ein Irrer rase ich die Treppe hinunter und denke immer nur: Wer hat mich bloß so reingelegt?
Also ich wieder auf der Straße bin, fasse ich den Entschluss, bis zur Metrostation Lubjanka zu Fuß zu gehen, obwohl es ziemlich weit ist. Ich muss dringend meinen Kopf auslüften. An der Station Kitaj-Gorod kaufe ich die Zeitschrift OK , werfe sie in der Grünanlage am Kyrill-und-Method-Denkmal aber schon wieder in den nächsten Papierkorb, nachdem ich auf der dritten Seite ein Foto von Monica Belucci als Blondine entdeckt habe. Auf der anderen Seite der Grünanlage, dicht beim Denkmal, wo für gewöhnlich nicht mehr ganz frische Herzensbrecher blutjunge Soldaten abschleppen, drückt mir ein Mädchen einen Stapel
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