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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Schriften existierten. Es gab keinen Engel Nhor’ Kharadhins, der nicht beim Klang ihres Namens erschauderte, und auch Avartos konnte sich nicht gegen die Anspannung wehren, die sich in dieser Finsternis auf seine kalte Haut legte. Instinktiv umfasste er seinen Bogen und strich mit den Fingern über die glatten Federn eines Pfeils, auch wenn er wusste, dass ihm keine Waffe der Welt gegen jene Kreaturen beistehen würde, auf die er wartete, jene rätselhaften und überaus mächtigen Brüder des Lichts.
    Er drängte den Schauer beiseite, der bei dem Gedanken an diesen Namen über ihn kommen wollte, zwang ihn hinab in die kalte Stille seines Inneren und griff in seine Tasche, um einen blutigen Stofffetzen daraus hervorzuholen. Umgehend kehrte die Kühle vollends hinter seine Stirn zurück und die klare Konzentration des Jägers. Der Teufelssohn war ihm entkommen, wieder einmal, und obwohl die besten Krieger, Jäger und Späher seines Volkes die Oberwelt ebenso durchsuchten wie die Gänge der Schatten, hatten sie bislang keine Spur von ihm gefunden.
    Die Zeit rann ihnen durch die Finger, Bhrorok näherte sich dem Teufelssohn unaufhaltsam, und obgleich Avartos ihm zum Greifen nah gekommen war, hatte er ihn doch nicht packen können. Aber der Teufelssohn hatte etwas zurückgelassen, das ihn auf seine Fährte führen würde. Sein Duft wurde vom Blut des anderen Nephilim überdeckt, doch er hing noch immer fein und deutlich in dem Gewebe. Kein Engel konnte ihn wahrnehmen. Es brauchte eine besondere Nase, um die Spur aufzunehmen, es brauchte eine Kreatur, die … Ein plötzlicher Windstoß fuhr Avartos ins Gesicht, er sprang auf und hieb ins Leere. Eilig stopfte er den Stofffetzen zurück in seine Tasche und schickte einen Flammenzauber in seine Hand. Kein Licht hin oder her, er würde nicht in dieser Dunkelheit sitzen und sich zum Narren halten lassen. Er atmete nicht, während er sich langsam um sich selbst drehte, den Blick in scharfer Konzentration in die Dunkelheit gerichtet. Er würde seinen Zauber entfachen, sobald …
    Weiter kam er nicht. Er spürte noch die Berührung in seinem Nacken, kaum mehr war es als der feine Kratzer eines spitzen Fingernagels, dicht gefolgt von lähmender Eiseskälte, die seine Adern flutete. Dann verlor er die Kontrolle über seinen Körper. Er sackte auf die Knie, seine Arme und Beine zuckten in heftigen Krämpfen, seine Eingeweide wurden zusammengepresst, und er sah gleich darauf das Licht, das aus seinem Inneren aufstieg und in gleißender Helligkeit in seinem Schädel explodierte. Der Schmerz war so stark, dass Avartos zusammenbrach. Kopfüber stürzte er in dieses Licht, es bohrte sich in ihn hinein und riss ihn mit grausamer Stille in Fetzen. Er wollte schreien, um zu wissen, dass er noch da war, doch er konnte seine Stimme nicht hören, er spürte gar nichts mehr bis auf die Kälte, die soeben in seinen Körper gefahren war und als überirdisches Licht vor seinem inneren Auge stand. Hilflos starrte er hinein, doch gerade als er den Anblick nicht mehr ertrug, verschwand das Licht und ließ nichts zurück als samtene Finsternis.
    Schwer atmend lag Avartos am Boden. Sein Haar klebte an seiner Stirn, jeder Muskel seines Körpers brannte wie Feuer, und seine Hände hatten sich derartig verkrampft, dass sie tiefe Kerben in den Tuffstein geschlagen hatten. Er brauchte einen Moment, bis er seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte. Dann hob er den Kopf und hörte auf zu atmen.
    Kaum wenige Schritte von ihm entfernt stand eine Gestalt in einer bodenlangen Kutte, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, die pechschwarzen Schwingen als gewaltige Schemen hinter sich aufragend. Die Schatten der Katakomben umtosten sie als lautloser Sturmwind, und noch während die Gestalt den Kopf hob, spürte Avartos ihre Präsenz mit eisigen Klingen über seine Haut streichen. Kaum dass er in die Finsternis unter der Kapuze starrte, packte ihn eine unsichtbare Klaue an der Kehle und riss ihn empor. Keuchend griff er ins Leere, um sich von dem Griff zu befreien, doch erneut drang lähmende Kälte in ihn ein und ließ ihn hilflos in der Luft hängen.
    Kind, drang eine raue, männliche Stimme durch seine Gedanken, und er verstand erst nach einem Augenblick, dass er getadelt worden war. Dann zog sich die Klaue zurück. Avartos landete auf den Füßen und hielt leicht schwankend das Gleichgewicht. Hustend neigte er den Kopf und legte ehrerbietig die Hand auf die Brust. Etliche Male hatte er sich auf diese

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