Nephilim
rasender Geschwindigkeit schossen die Lanzen auf Nando zu, eine davon traf ihn an der Hüfte. Nur mit Mühe vermochte er sich im letzten Moment hinter einem der Tische zu ducken, ehe die anderen ihn durchbohren konnten. Krachend raste ein flammender Wirbel durch das Holz, Nando sprang auf und landete auf einer anderen Tafel. Mit aller Kraft warf er Abwehrzauber hinter sich, ein Drache erstand aus den Flammen seiner linken Hand und baute sich vor Noemi auf, doch sie hielt nicht inne in ihrem Lauf. Mit einem Schrei erhob sie sich in die Luft, glitt durch den blau flammenden Atem des Drachen und stieß ihm ihre Messer in den Hals.
Der Schmerz traf Nando, als wäre er selbst verwundet worden. Keuchend sah er zu, wie sein Zauber in sich zusammenfiel und Noemi auf der Tafel landete, das Haar als wirbelnde Wolke hinter sich, die Augen schwarz wie die Gräber auf der Ebene ohne Zeit. Er hatte schon seine Hand gehoben, um sie mit einem Donnerschlag abzuwehren, als er den Riss in ihren Augen bemerkte und die Verzweiflung, die sich durch diese Kluft ihren Weg brach.
Atemlos ließ er die Hand sinken. Er kam auf die Beine, doch er wirkte keinen Schutzzauber. Er hätte keine Waffe gegen sie richten können in diesem Augenblick, selbst für seine eigene Verteidigung nicht.
Ich wünschte, du hättest recht , sagte er in Gedanken, als sie die Faust hob und knisternde Blitze über ihre Finger zuckten. Sie zog die Brauen zusammen, doch Nando sprach weiter. Ich wünschte, du könntest mir deinen Schmerz zufügen und alle Schuld, die du jemandem am Tod deiner Eltern und deines Bruders geben willst, damit fortwischen und mit ihr alle Traurigkeit, alle Verzweiflung, alle Einsamkeit. Aber es wird dir nicht gelingen. Deine Eltern und Silas sind tot, und die Ohnmacht, die du fühlst, wirst du nicht durchbrechen, indem du mich folterst. Im Gegenteil, du wirst sie verstärken, denn danach wirst du sehen, dass du allein bist mit deiner Trauer und nichts, gar nichts sie dir nehmen kann, nicht einmal dein Zorn!
Noemi stand regungslos. Ihre Schergen hatten den Tisch umringt, die Hände vor sich ausgestreckt und bereit, Nando bei einer falschen Bewegung von den Füßen zu reißen.
Du irrst dich , erwiderte sie tonlos, und undurchdringliche Schwärze flammte durch den Riss in ihren Augen und verschloss ihn. Dein Schmerz wird die Stimme sein für den Schrei in mir, der mich erstickt. Dein Schmerz wird mir Linderung geben und mir Genugtuung verschaffen in den Stunden der Nacht, in die Silas’ Tod mich geworfen hat, sein Tod, der durch deine Schuld geschah – Teufelssohn!
Noemi brüllte einen Zauber in der Alten Dämonensprache und stieß die Faust vor. Ein scharlachroter Blitz traf Nando in die Brust, er wollte schreien, aber er brachte keinen Ton über die Lippen. Unnennbarer Schmerz durchzuckte seinen Körper, während der Blitz ihn einhüllte und emporhob. Er hörte die Zauber der anderen Nephilim, jeder schickte einen Blitz in seinen Körper, es war, als würden sie ihm tausend Messer in den Leib stechen, doch es war Noemis Schattenmagie, die ihm den Atem nahm. Glühend drang sie in sein Innerstes vor, peitschte durch seine Adern und stürzte ihn in Finsternisse, die ihn in Stücke rissen. Er sah nichts mehr als zuckende Lichter, seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Er spürte die Hitze in heftigen Schüben über seine Stirn rasen, dicht gefolgt von einer Kälte, die von innen durch sein Fleisch stach und es ihm unmöglich machte zu atmen. Wie aus weiter Ferne hörte er Noemi schreien, fühlte, wie der Blitz ihn entließ und er durch die Luft flog. Ohne die Möglichkeit, sich zu schützen, krachte er gegen die Wände des Saals. Der Schmerz explodierte in seinem Schädel, er landete auf dem Boden, doch gleich darauf umfing ihn wieder der Blitz und presste ihn gegen die Steine wie unter einer Tonnenlast. Hilflos versuchte er, seine Gedanken zu sammeln, einen Zauber zu wirken, doch er konnte es nicht. Gegen Noemis Magie der Schatten war er machtlos.
Keuchend lag er da, die Ohnmacht riss ihn mit sich. Doch auch in ihr konnte er sich nicht rühren. Er lag noch immer auf dem Fußboden des Saals, aber er spürte einen Windzug, als hätte jemand ein Fenster geöffnet, durch das frische Luft über seinen Körper spülte. Mit aller Kraft ballte Nando die Finger seiner linken Hand zur Faust. Er musste aufwachen. Er war im Speisesaal der Akademie. Hier gab es keine Fenster.
Kaum hatte er das gedacht, hörte er Schritte näher kommen. Eine
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