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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ein paar Jahre jünger gehalten wurde, als er wirklich war. Seine Nase war etwas zu breit für sein schmales Gesicht, und wenn er grinste, sah es aus, als würde sein Mund von einem Ohr zum anderen reichen, so riesig war er. Regenwasser tropfte von Lucas Jackett und durchnässte seine Schuhe, doch das kümmerte ihn nicht.
    »Alles Gute zum Geburtstag!«, sagte er strahlend, trat ein und hielt Nando ein zerdrücktes Päckchen entgegen, das mit zu viel Klebeband und reichlich Schnur eingewickelt worden war. »Das sind Stücke von Beethoven«, sagte er, noch während Nando das Geschenk auspackte. »Vielleicht inspirieren sie dich, damit du wieder öfter zum Spielen kommst auf deiner alten Fiedel.«
    Er grinste und schlug Nando kameradschaftlich gegen die Schulter.
    »Vielen Dank«, erwiderte Nando. »Ich habe wirklich schon eine Weile nicht mehr gespielt. Du siehst aus wie ein begossener Pudel, willst du dich umziehen?«
    Luca begrüßte kurz Mara und Giovanni, dann folgte er Nando in dessen Zimmer. Es war ein kleiner Raum mit Dachschrägen, in dem neben dem Bett, dem Kleiderschrank und dem Schreibtisch unzählige Bücher in Regalen an den Wänden standen. Nando ging zu seinem Schrank und zog frische Sachen für Luca heraus.
    »Wie ist dein Vorstellungsgespräch gelaufen?«, fragte er, während Luca sein Jackett zum Trocknen über die Heizung hängte.
    Eine aufgeregte Röte stieg in Lucas Wangen, als er antwortete: »Es lief gut, der Personalchef war sehr angetan von mir. Könnte sein, dass es dieses Mal was wird. Bald ist die Schule vorbei, kannst du dir das vorstellen?«
    Nando lehnte sich gegen den Türrahmen. »Und dann bist du Banker«, sagte er mit einem Lächeln und ließ seinen Blick über das weiße Hemd schweifen, das seinem Freund aus der Hose gerutscht war.
    Luca zuckte mit den Schultern. »Irgendetwas muss ja aus mir werden. Ich habe jedenfalls keine Lust darauf, wie mein Vater zu enden: malochen, malochen, und am Monatsende bleibt nichts übrig. In der Bank muss ich jeden Tag so rumlaufen wie jetzt, das kann ja heiter werden – aber wenigstens werde ich dann trocken sein, zumindest hoffe ich das.«
    Er lachte, als er sich seiner nassen Kleidung entledigte und in Nandos Sachen schlüpfte, die ihm ein wenig zu weit waren. Nando trat zum Fenster und schaute hinaus. Der Regen schlug heftig gegen das Glas, es war, als wäre ein plötzlicher Sturm aufgekommen. Sturzbäche fielen vom Himmel, kein Wunder, dass Luca durchnässt worden war bis auf die Haut.
    »Weißt du denn inzwischen, was du machen willst?«, fragte Luca hinter ihm.
    Nando wandte sich nicht um, er erkannte seinen Freund nur als farbigen Schemen im Glas der Scheibe. »Nicht so richtig«, erwiderte er. »Ich werde mir wohl eine Lehrstelle suchen, als Restaurantfachmann vielleicht oder als Banker wie du. Ich werde genau das tun, was unzählige andere Menschen auch machen.«
    »Klingt nicht gerade begeistert«, bemerkte Luca. »Ich verstehe das schon, irgendwie geht es mir ja auch nicht anders. Früher habe ich davon geträumt, Superman zu werden, weißt du noch?« Er lachte leise, ehe er fortfuhr. »Aber das sind eben Träume. Langsam fängt das wahre Leben an, wie mein Vater so schön sagt, und da geht es um die Wirklichkeit. Da muss man schauen, wo man bleibt, um weiterzukommen.«
    Nando schaute sich selbst ins Gesicht. »Und wohin?«, fragte er so leise, dass Luca, der sich gerade einen Pullover überzog, ihn nicht hörte. Nando wusste, dass Luca recht hatte. Luca, der Vernünftigere von ihnen beiden, derjenige mit den besseren Noten und den Zukunftsplänen, hatte meistens recht, wenn es um solche Dinge ging. Er hatte Nando schon vor Monaten aufgefordert, sich ebenfalls frühzeitig um seine berufliche Zukunft zu kümmern, aber Nando hatte es aufgeschoben bis jetzt, und obwohl er wusste, dass sich diese Dinge nicht ewig hinauszögern ließen und er nicht einmal einen Grund für sein Warten benennen konnte, war es ihm unmöglich, es seinem besten Freund gleichzutun.
    Wieder schlug der Wind den Regen gegen das Fenster, so gewaltsam dieses Mal, dass Nando zurückwich.
    »Verdammtes Sauwetter da draußen«, murmelte Luca, aber Nando hörte noch eine andere Stimme, eine Stimme nur in seinen Gedanken. Es gibt keine Sicherheit jenseits des Lichts, das du verloren hast. Er riss den Blick von der Nacht los, die sich auf der Straße auftürmte wie ein lebendiges Wesen.
    »Wenn jemand zu dir käme«, sagte er und spürte, wie das Blut auf einmal schneller

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