Nephilim
Dunkelheit.
»Hadros hat dieses Schwert gegen den Teufel geführt«, fuhr Antonio fort. »Ich ahnte von seiner Macht und seiner Tücke, doch erst als ich es vor mir liegen sah und mich nur mit aller Kraft davon abhalten konnte, es zu ergreifen, wusste ich, dass es vernichtet werden musste. Ich wehrte mich dagegen, aber sie war stark – diese leise, lockende Stimme, die mich dazu drängte, das Schwert zu berühren, nur ein einziges Mal.«
Nando schaute auf seine Hände, die verkrampft in seinem Schoß lagen, und er wusste, dass er schon längst die Finger durch das Hologramm gezogen hätte, würden sie sich nicht ineinander verschlingen.
»Ich erinnere mich an das Gesicht der Königin«, sagte Antonio. »Ich weiß noch, dass in ihren Augen ein seltsamer Schimmer lag. Nie wieder habe ich diesen Glanz in ihrem Blick gesehen, er machte sie wunderschön, noch schöner, als sie ohnehin schon ist – doch mehr noch als dies verursachte er mir Angst.« Er holte tief Atem, ehe er fortfuhr: »Wir beschlossen, das Schwert zu vernichten, doch wir mussten feststellen, dass es nicht zu zerstören war. In ihm wohnte eine Macht, die nicht von dieser Welt stammte, und so bekam Hadros den Auftrag, die Waffe an sich zu nehmen und mit all seinen Fähigkeiten zu schützen. Niemals, das wussten wir, durfte ein Scherge des Teufels in ihren Besitz kommen und so ihre Kräfte um ein Vielfaches vermehren mit etwas, das sein Herr verdorben hatte.«
Nando nickte nachdenklich. Dann hob er den Blick. »Ich habe von Hadros viel gelesen«, sagte er leise. »Es heißt, dass er der größte Dämonenjäger und Krieger im Volk der Engel war.«
Antonio lächelte ein wenig. »Ja, das war er. Und er zögerte nicht, seine Aufgabe anzunehmen. Furchtlos überzog er das Schwert mit einem Tarnzauber und brachte zahlreichen noch frei herumstreifenden teufelstreuen Dämonen damit den Tod. Denn auch seine Macht steigerte diese Waffe um ein Vielfaches, und wenn er zuvor bereits der beste Krieger gewesen war, so erlangte er nun einen Rang, den ihm niemand mehr streitig machen konnte. Eines Tages zog er sich in die Einsamkeit zurück. Niemand weiß genau, aus welchem Grund. Manche sagen, dass er des Krieges müde war. Das Schwert nahm er mit sich.«
Nando starrte auf das Hologramm der Waffe, das vor ihm in der Luft stand, und er erschrak, als seine Finger den Schleier berührten und das Bild leicht zitterte. Er hatte nicht gemerkt, wie sie sich aus ihrer Verkrampfung befreit hatten, denn der Sinn von Antonios Worten drang in sein Bewusstsein vor und erschütterte ihn innerlich, als hätte ihn ein Schlag getroffen.
»Die Legenden sind also wahr«, flüsterte er. »Bhalvris wurde nicht vernichtet. Die einzige Waffe, mit der Luzifer jemals verwundet wurde, sie … « Er stockte und riss den Blick von dem Schwert los, als die Konsequenzen dieser Umstände sich über ihm entluden.
Antonio nickte langsam. »Ja, Nando. Mit diesem Schwert wurde dem Teufel ein Teil seiner Macht geraubt, doch selbst einem mächtigen Engel wie Hadros konnte es nicht gelingen, ihn zu vernichten. Dies vermag nur ein Wesen, das der Macht dieses Schwertes gewachsen ist, eine Kreatur, die ihr eigenes Ich zur Vollkommenheit mit dieser Waffe verbinden und so ihre Kraft vollends für sich nutzen kann – ein Geschöpf, das die Magie des Teufels in sich trägt. Dieses Wesen könnte das Schwert nicht nur führen. Es könnte Luzifer mit ihm in die Knie zwingen, mehr noch: Es könnte den Fürsten der Hölle vernichten.«
Das Gold von Antonios Augen bohrte sich in Nandos Gedanken, er fühlte die Flammen des Schwertes und hörte das Scherbenlachen, das in diesem Moment schrill und schmerzhaft durch seine Gedanken zog. Atemlos sprang er auf und zerriss den Ton mit einem Schlag. Stolpernd geriet er in das Hologramm, die Farben wirbelten durcheinander, dann zerbrach es zu feinem Staub.
»Ich«, begann Nando und sah sich fahrig nach Antonio um. »Ich soll den Teufel vernichten?« Er spürte sein Herz im ganzen Körper, sah Bilder in sich aufflammen, Luzifer über den brennenden Körpern der Nephilim, Bhrorok, der Wolf und Harkramar, er hörte tausend flüsternde Worte und hustete, als sich eine eiskalte Klaue um seinen Brustkorb schlang. Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter. Wärme drang aus Antonios Fingern in seinen Körper, seine Atmung beruhigte sich, und die Bilder verschwanden aus seinen Gedanken.
»Ich weiß um deine Zweifel«, sagte Antonio ruhig und brachte ihn dazu, sich wieder zu
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