Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Prüfungen ablegen. Denn kein königstreuer Engel kann ihn mehr betreten. Die Gründe hierfür wirst du im Laufe deiner Ausbildung erfahren. Für die Ovo ist ihr Nebel lebensnotwendig, ohne ihn würden sie an der Luft verbrennen wie feinstes Papier, und hier wird er uns nichts zuleide tun. Dennoch ist der Weg nach Bantoryn gefährlich, denn in diesem Nebel verbirgt sich außerdem eine der Todeszonen, die wir fürchten müssen.«
    Nando biss sich auf die Lippe, als er daran dachte, wie sich das Metall und der Lack von Giorgios Taxi unter dem Gift der anderen Todeszone verzogen hatten, und ein unbehagliches Grollen durchzog seinen Magen.
    Antonio lachte leise, als hätte er seine Gedanken gehört. »Keine Sorge, ihr Gift ist nicht so aggressiv wie die Zone, die Giorgios Fahrzeug zugesetzt hat. Aber auch sie kann uns töten, wenn wir uns nicht schützen.« Er deutete auf Nandos Schutzbrille und schob sich die eigene über die Augen. »Sie wird dich vor dem Gift dieser Zone bewahren.«
    Mit diesen Worten wandte Antonio sich ab und ging auf den Nebel zu. Nando beeilte sich, ihm zu folgen, und streifte die Schutzbrille über seine Augen. Die Tunnelwände um ihn herum waren plötzlich von glitzernden Fäden durchzogen, sie standen in goldenem und rotem Licht, und Nando schien es, als würde ein sanfter, kaum merklicher Impuls durch sie hindurchgehen. Der Nebel wogte vor ihm auf und nieder wie ein lautloser Orkan aus wehenden Tüchern.
    Mit angehaltenem Atem trat er hinter Antonio in den Dunst ein, der sich kühl wie eine zarte Mädchenhand auf seine Wangen legte. Für einen Moment meinte er ein Lachen zu hören. Gleich darauf wurde der Nebel eiskalt. Er griff nach seiner Kehle, sodass es Nando den Atem verschlug, und zerrte wie Sturmwind an seinen Kleidern. Weit entfernt hörte er die Stimmen der Ovo, sanft und kräftig zugleich. Nando zog die Arme an den Körper, tastete zum wiederholten Mal prüfend über den Sitz seiner Brille und hielt sich dicht bei Antonio, der unbeirrt und mit geneigtem Kopf voranschritt. Wie oft mochte er diesen Weg mit einem Nephilim bereits gegangen sein, wie oft hatte er vielleicht einen Schützling im Gift der Todeszone verloren? Ob er Furcht spürte inmitten dieses geisterhaften Nebels, oder war dieses Gefühl ihm unbekannt? Nando dachte daran, wie sein Begleiter über den Dächern Roms gesessen hatte, wie er hinabgesehen hatte auf die Stadt mit diesem fernen, wehmütigen Ausdruck in den Augen, und gleichzeitig fiel ihm der gleichgültige, unberührte Blick Antonios ein, als das Mädchen in den Schattengassen beinahe von den Engeln getötet worden wäre. Flüchtig sah Nando seinen Begleiter an. Antonios Gesicht war reglos wie so oft, und doch meinte Nando, erstmals einen Schatten unter der Oberfläche zu bemerken, eine kaum wahrnehmbare Ahnung von einem Schmerz, der weit zurücklag und den die Zeit nicht heilen konnte.
    Er sog die Luft ein, es schien ihm, als flössen die Gesänge der Ovo mitsamt dem Nebel in seine Lunge, und für einen Augenblick verlor er die Unruhe, die seit dem Beginn seiner Reise in seinem Nacken hockte wie ein boshafter Kobold. Ob die Gesänge der Ovo daran Anteil hatten? Sie wurden lauter, je weiter sie in den Nebel vordrangen, vertrieben die Kälte aus Nandos Gliedern und zogen mit Kraft und Wärme durch ihn hindurch wie Erinnerungen an lang vergessene Träume.
    Ihm stockte der Atem, als er plötzlich zu seiner Linken eine Bewegung im Nebel wahrnahm. Er kniff die Augen zusammen – und erkannte eine Gestalt, die in einiger Entfernung durch die weißen Schleier trat. Es war ein Reh, so schien es ihm, mit nachtblauem Fell und großen schwarzen Augen, in denen sich tanzende Funken wie Sterne verfangen hatten. Da traten weitere Gestalten durch den Nebel, sie sahen aus wie Damhirsche und weitere Rehe, und gerade als die Stimmen der Ovo erneut anschwollen, verwandelten sie sich in schemenhafte Frauen und Männer. Lautlos tanzten sie im Nebel, die nackten Körper von hauchzarten Tüchern umhüllt, erhoben sich in die Luft, drehten scheinbar mühelos Pirouetten und landeten formvollendet am Boden, um sich gleich wieder zum Tanz aufzufordern. Ihre Haare flatterten hinter ihnen drein wie helle Flammen, und über ihre Haut zogen Schleier aus schneeweißem Licht wie Nordlichter am Himmel. Sie hielten die Augen geschlossen, und ihre Gesichter waren von einer tiefen, stillen Schönheit, die Nando das Atmen schwer machte.
    Er spürte kaum, dass er auf sie zutrat, hörte nur undeutlich

Weitere Kostenlose Bücher