Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Ansonsten bestehe ich auf genau einem Jahr Ehe. Und nicht, wie es jetzt aussieht, zehn Monaten.«
Mika versuchte seinem Blick standzuhalten. Vergeblich. »Setz einen Termin fest«, sagte sie dem Tisch. »Ich werde da sein.«
»Nicht nur da sein«, betonte Frank Schöffen. »Du wirst als strahlende Braut auftauchen. Damit mein alter Herr keinen Verdacht schöpft.«
»Aber klar doch. Wir wollen doch nicht, dass Frank Schöffen Senior zum Frank Verdacht-Schöpfen Senior wird«, frotzelte Mika.
»Mikaela«, sagte ihr Verlobter. »Du kannst von mir aus Scherze machen, so viele du magst. Wenn wir unter uns sind.« Er griff nach ihrem Arm. Für Außenstehende sah es bestimmt aus, als würde ein Mann einer Frau hochhelfen und sie nach draußen begleiten. Für Mika war es jedoch ein drohender Griff. »In Gegenwart anderer wirst du dich gefälligst benehmen. Haben wir uns verstanden?«
»Was, wenn ich mein Versprechen breche?«, wagte Mika im Auto einen neuerlichen Versuch, sich zu wehren.
Ihr Verlobter lächelte milde. »Erstens würdest du das niemals tun. Dafür bist du zu ehrenhaft. Und zweitens weißt du genau, dass ich nur mit deinem Vater reden müsste. Und euer wunderbares Geschäft wäre hinfällig.«
»Ich hab’ immer gedacht, dass Schwule lieb, sanftmütig und harmoniebedürftig wären«, murrte Mika.
»Das ist genauso ein Klischee, wie die Vorstellung, dass Lesben grobschlächtige Lastwagenfahrerinnen wären«, entgegnete Frank Schöffen gelassen.
»Verstehe«, meinte Mika grinsend. »Dann einigen wir uns darauf, dass ich keine grobschlächtige Lastwagenfahrerin bin und du nicht lieb, sanftmütig oder harmoniebedürftig.«
»Damit kann ich durchaus leben.«
Gemächlich stellte Frank Schöffen sein Auto vor dem Herrenhaus ab. So bezeichnete Mika das Haus ihres Vaters. Groß. Kahl. Kalt.
Manchmal, als Kind, hatte sie im Esszimmer gesessen und Gospels vor sich hingesungen. Wie die Sklaven, damals auf den Baumwollfeldern. Mika hörte sich selbst krächzen. Swing low, sweet chariot …
Frank Schöffen war unbemerkt ausgestiegen und hielt Mika die Tür auf. Die helfende Hand ignorierte sie. »Können wir denn mit dem Festlegen des Termins noch ein paar Tage warten?«, bat sie ihren Verlobten. »Bis Mama wieder da ist. Schließlich weiß sie ja von nichts.« Und wenn sie die Wahrheit kennt … vielleicht kann sie Papa umstimmen. Diese Hoffnung hatte Mika noch nicht aufgegeben. Wobei sie mit jedem Tag kleiner wurde.
Leise drückte Frank Schöffen die Beifahrertür seines Sportwagens zu. »So lange kann ich warten. Aber dann gibt es keine Ausreden mehr.«
»Eye, Massa«, salutierte Mika. Sie drehte sich um und trällerte laut auf dem Weg zur Haustür: »La, la, la … let my people go.«
»Ach noch was.« Frank Schöffen war Mika hinterhergegangen und stand jetzt dicht vor ihr.
Das war der geeignete Moment, um das mit der hochgezogenen Augenbraue zu probieren. Wie Timea es machte, wenn sie herablassend wirken wollte. Leider schaffte Mika es nicht. »Ja?«, fragte sie ruhig. Wenigstens das gelang ihr.
»Diese Stelldicheins mit deiner Freundin.«
Mikas Herz setzte einen Schlag aus. Es kam ihr vor, als würde alles in ihr zu Eis gefrieren.
»Dein Vater hat heute angedeutet, dass du letzte Nacht bei ihr warst. Das könnten auch andere herausfinden«, erklärte Frank Schöffen weiter.
Noch immer brachte Mika kein Wort heraus. In Stummfilmen wäre die Szene von Klaviermusik begleitet. Fast meinte Mika, die Klänge zu hören, die die Spannung immer mehr ansteigen ließen.
»Du weißt, dass es mir völlig egal ist, wenn ihr euch trefft. Aber wenn es nur irgendein Anzeichen gibt, dass ihr auffliegen könntet, dann war’s das.«
~*~*~*~
U m nicht wieder des Sich-Hineinschleichens bezichtigt zu werden, betrat Mika geräuschvoll das Wohnzimmer.
»Wie war dein Essen mit Frank?«, dröhnte die Stimme von Mikas Vater hinter der Tageszeitung hervor.
»Guten Abend, Mika. Schön, dass du zu Hause bist«, sagte Mika möglichst tief, um sogleich in ihrer eigenen Stimmlage fortzufahren: »Das finde ich auch Vater. Ich freue mich auch immer wieder, diese vier Wände zu betreten.«
»Das ist schön«, erwiderte Adam David. »Und nun … wie war das Essen?«
»Nahrhaft«, antwortete Mika freundlich.
Papierrascheln, und die Zeitung lag fein säuberlich zusammengefaltet auf dem Tisch. »Wie ich sehe, hat sich deine Laune noch nicht gebessert«, stellte Mikas Vater fest.
»Aber Väterchen«, sagte Mika gespielt
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