Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Kaminzimmer.
»Ach«, wurde sie empfangen. »Meine Enkelin bequemt sich auch einmal hierher.«
»Ich habe gehört, dass du etwas ungehalten bist«, erwiderte Timea ruhig.
»Ich bin nicht etwas ungehalten«, sagte die Großmutter, »ich bin sehr ungehalten.« Ihre Lippen waren ein dünner Strich. »Seit Tagen ist eine Unruhe hier im Haus. Petra ist fast rund um die Uhr damit beschäftigt, Schränke auszuräumen, sauberzumachen und was weiß ich noch. Wenn du abends nach Hause kommst, hilfst du ihr oder treibst dich sonstwo herum.«
»Ja«, meinte Timea immer noch gelassen. »Das ist auch nötig, weil die Umzugsfirma am Mittwoch kommt und die Sachen in die neue Wohnung bringt.«
»Kannst du mir dann bitte verraten, warum ich dabei nicht helfen darf?«
Adrienn Illay stand kurz davor, ihre angeborene Ruhe zu verlieren. Timea hockte sich neben den Stuhl, in dem ihre Großmutter saß und griff nach deren Händen. »Es tut mir leid, Nagyi«, sagte sie, »aber ich habe Petra gebeten, dich mit all dem nicht zu belasten. Es wird dann noch stressig genug für dich.«
»Wenn ich mich nutzlos fühle, stresst mich das mehr«, verdeutlichte die alte Dame. »Ich habe schon Angst, dass ihr mich in irgendeine Decke wickelt und dann beizeiten in einen Umzugswagen packt.«
Timea richtete sich grinsend auf. Die Vorstellung war köstlich »Du übertreibst, Nagyi.«
»Vielleicht ein wenig«, lenkte die Großmutter ein. »Aber ich meine es ernst, Liebes. Ich würde auch gern etwas tun. Und nicht untätig herumsitzen.«
»Du kannst Petra vielleicht bei der Wäsche helfen«, überlegte Timea.
»Dabei kann ich nichts kaputtmachen. Oder?«
»Genau«, neckte Timea ihre Großmutter. »Hast du dich jetzt wieder beruhigt?«
»Das weiß ich noch nicht.« Augenscheinlich wusste das Adrienn Illay sehr wohl, denn ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Wenn ich mithelfe, komme ich auch auf keine dummen Gedanken«, bemerkte sie.
Timea wollte sich gerade auf den Weg zurück in ihr Büro machen. Stattdessen ließ sie sich in einem der Stühle nieder. »Was meinst du damit?«
»Ach«, meinte die Großmutter wieder völlig Herrin der Lage, »ich hatte mir überlegt, Mika einen Besuch abzustatten. Schließlich habe ich ihr noch nicht zur Verlobung gratuliert.«
Tausend Gedanken schossen durch Timeas Kopf; tausend Gefühle durch ihren Körper. Das passierte innerhalb von Sekundenbruchteilen. Dann hatte sich Timea gefangen. Sie musste sich mit der Tatsache abfinden, dass sie ständig würde mit Mika konfrontiert werden. Aus Zeitungen oder durch ihre Großmutter. Immerhin war die nicht davon abzubringen, dass Timea und Mika zusammengehörten. Es gab nur einen Weg, damit umzugehen: »Wenn du das möchtest, Großmutter, mach es doch. Sie wird sich sicher freuen«, sagte Timea. Diesmal schaffte sie es, gleichgültig zu klingen. Ab morgen würde sie auch das Stechen in der Brust in den Griff bekommen. »Und jetzt entschuldige mich. Ich habe einiges zu tun.« Timea stand auf und verließ hoch erhobenen Hauptes das Zimmer.
~*~*~*~
Z um wiederholten Male schüttelte Mika den Kopf. »Das sind doch alles Riesenwohnungen«, motzte sie. »Da braucht man ein Navi, um sich darin zurechtzufinden.«
»Jetzt ist es aber genug«, gab ihre Mutter zurück. »Willst du dich um gar nichts kümmern?«, fragte sie erbost. »Frank hat schon infrage kommende Objekte herausgesucht und die Unterlagen in aller Herrgottsfrühe vorbeigebracht. Nun bist du dran, Mika. Du musst dich endlich entscheiden.«
»Wer sagt das?«, fragte Mika mit vorgeschobener Unterlippe.
»Du wirst doch nicht dauerhaft mit deinem Schwiegervater unter einem Dach leben wollen?«
Sofort sah Mika Frank Schöffen Senior vor sich. Den Schüttelfrost ließ sie bereitwillig zu. Ihre Mutter konnte das ruhig sehen.
»Siehst du«, meinte die sogleich. »Also, für welche Wohnung soll ich zuerst einen Besichtigungstermin vereinbaren?«
Mika schaute in die Unterlagen. Genau genommen auf die Namen der Makler. Gernot Hampf GmbH, Gernot Hampf GmbH, Timea Illay, irgendeine unbekannte Firma, Timea Illay. Sie reichte ihrer Mutter die Mappe zu Wohnung Nummer vier. »Die hier«, bestimmte Mika.
Patrizia David blätterte sich durch die einzelnen Seiten. »Wieso gerade die?«, fragte sie leicht irritiert. »Du hast doch eben gesagt, dass du in keine große Wohnung willst. Und die …«, sie hob die Mappe in die Höhe, »ist mit Abstand die größte von allen.«
»Ich hab’ mich eben umentschieden«, behauptete
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