Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
könnte. Normalerweise h ätte Klipra eine solche Situation bestimmt gemeistert, aber nicht bei dem Druck, der bereits auf ihm lastete, so dass er sich in die Ecke gedrängt fühlt wie eine Ratte. Können Sie m ir noch folgen?«
Jens nickte.
»Sie verlassen Klipras Anwese n im Wagen des Botschafters, weil Klipra darauf besteht, den Tausch des kompromittierenden Materials gegen das erp resste Geld an einem etwas diskreteren 332
Ort stattfinden zu lassen. Aus guten Gründen hat der Botschafter nichts dagegen. Ich vermute, Klipra denkt noch nicht an dich, als er vor seiner Bank aus de m Wagen steigt und den Botschafter zum Motel vo rfahren lässt. Er veranlasst d as so, um selbst ungesehen ins Motel zu komm en. Doch dann beginnt er zu denken. Eventuell kann er zwei Fliegen m it einer Klappe schlagen. Er weiß, dass der Bots chafter vorher bei dir war und dass du so oder so von der Polizei unter die Lupe genommen werden würdest. Deshalb beginnt er, m it dem Gedanken zu spielen – vielleicht hat der gute Br ekke ja kein Alibi f ür diesen Abend?«
»Warum in aller Welt hätte er das annehmen sollen?«, wandte Jens ein.
»Weil er selbst eine Analyse bei Ihnen in Auftrag gegeben hat, die Sie am nächsten Tag abliefern sollten. Er nutzt Ihre Dienste als Finanzmakler schon so lange, dass er in etwa weiß, wie Sie arbeiten. Vielleicht ruft er Sie sogar aus einer Te lefonzelle an und erhält die Bestätigung, dass Sie die Telefonanlage abgestellt haben, so dass Ihnen niemand sonst ein Alibi geben kann. Er hat Blut geleckt und will weiter gehen und die Polizei glauben machen, dass Sie bewusst lügen.«
»Die Videoaufnahme?«
»Sie arbeiten schon lange für ihn, so dass er Sie sicher m ehrmals im Büro besucht hat und das System in der Tiefgarage kennt. Vielleicht hat Molnes auch nebenbei erwähnt, dass Sie ihn in die Tiefgarage begleitet haben. Er konnte davon ausgehen, Sie würden das in einem möglichen Verhör sagen und jeder einigermaßen aufmerksame Ermittler würde d as mittels der Videoaufzeichnungen nachprüfen.«
»Ove Klipra hat also diesen W achmann bestochen und ihn anschließend mit Blausäure getö tet? Tut mir leid, Harry, aber ich kann mir das alles wirklich nicht vorstellen. Dass Ove Klipra mit einem Neger solche Geschäfte gem acht haben soll, dass er 333
Opium gekauft und zu Hause in seiner Küche den Cocktail gemixt haben soll.«
Harry nahm die letzte Zigarette aus dem Päckchen, er hatte sie sich so lange wie m öglich aufgehoben. Er sah auf die Uhr.
Eigentlich gab es keinen Gr und für die Annahm e, dass Runa morgens um fünf Uhr anrufen könnt e. Trotzdem merkte er, dass er das Telefon immer im Blick behielt. Jens war m it dem Feuerzeug zur Stelle, ehe Harry sein eigenes zücken konnte.
»Danke. Kennen Sie Klipras Background, Jens? W ussten Sie, dass er hier m it einem abgebrochenen Studium und wi rren Plänen ankam und in W irklichkeit aus Norwegen abgehauen war, weil dort ein paar hässliche Gerüchte zu kursieren begonnen hatten?«
»Ich weiß, dass er in Norweg en keinen form ellen akademi-schen Titel hatte, ja. Das andere ist mir neu.«
»Glauben Sie, dass ein solcher Flüchtling, einer, der bereits ein Außenseiter innerhalb der Gese llschaft ist, Skrupel hat, die Mittel zu nutzen, die nötig sind, um es zu etwas zu bringen, insbesondere dann, wenn diese Mittel bereits mehr oder weniger hoffähig sind? Klipra ist seit mehr als dreißig Jahren in einer der korruptesten Branchen der W elt tätig und das nicht irgendwo, sondern in einem der korruptesten Länder überhaupt. Kennen Sie den Song nicht: Mit mir ist es wie mit allen anderen, wenn es regnet, werde ich nass? «
Jens schüttelte den Kopf.
»Ich will damit nur sagen, dass Klipra als Geschäftsmann zu den gleichen Mittel n greift wie alle anderen. Diese L eute müssen lediglich darauf achten, sich nicht selbst die Hände schmutzig zu m achen, für solche Arbeiten haben sie ihre speziellen Leute. Ich schätze mal, dass Klipra nicht einmal weiß, wie Jim Love zu Tode kam.«
Harry zog an seiner Zigarette. Sie schmeckte nicht so gut, wie er sich das vorgestellt hatte.
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»Verstehe«, sagte Jens schließlich. »Aber es gibt eine E rklä-
rung für den Konkurs, die es m ir schwermacht, zu glauben, dass er mir wirklich die Schuld in die S chuhe schieben wollte. W ir haben die Gesellsch aft von ein em multinationalen Kon zern gekauft, der die Dollar-Schuld der Gesellschaft nicht term inge-sichert hatte, da sie auch noch von
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