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Nesbø, Jo - Harry Hole - 02

Nesbø, Jo - Harry Hole - 02

Titel: Nesbø, Jo - Harry Hole - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kakerlaken
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Telefonate zu überprüfe n, die am Mordtag vom Handy des Botschafters geführt worden waren.
    Erst kurz vor fünf konnte Harry die Kommissarin sprechen. Da es bereits spät war, schlug si e vor, ihre Besprechung auf eines der Boote zu verlegen und sich die Kanäle anzusehen, um das
    »Sightseeing-Programm hinter sich zu bringen«, wie sie sich ausdrückte.
    Am River Pier wurden ihnen Plätze auf ein em der lan gen Flussboote für 600 Baht angebot en, doch der Preis sank in Windeseile auf die Hälfte, nachdem Crumley den Verkäufer auf Thai angefaucht hatte.
    Sie fuhren den Chao Praya ein Stück flussabwärts, ehe sie in einen der engen Seiten kanäle einbogen. Baufällige Holzschup-pen klammerten sich an Pfoste n im Fluss fest und der Gestank von Essen, Abwasser und Benzin waberte über das Wasser. Harry hatte das Gefühl, direkt dur ch die Wohnstuben der Menschen zu fahren, die hier wohnten. Nur die Reihen grüner Topfpflan-zen verhinderten den d irekten Einblick, doch niem and schien sich wirklich daran zu stören, im Gegenteil, sie winkten ihnen lächelnd zu.
    Auf einem Pier saßen drei tropfnasse Jungen in kurzen Hosen, die gerade erst aus der bra unen Brühe gestiegen waren, und riefen ihnen etwas zu. Crumley drohte ihnen gut gelaunt mit der Faust und der Steuermann lachte.
    »Was haben die gerufen?«, fragte Harry.

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    Sie deutete auf ihren Kopf:
    » Mâe chii. Das bedeutet Priesterin oder Nonne. Die Nonnen in Thailand rasieren sich die Köpfe. Wenn ich jetzt noch einen weißen Umhang trüg e, würde ich sicher mit mehr Respekt behandelt werden«, sagte sie lachend.
    »Wirklich? Es m acht den Ei ndruck, als genössen Sie jetzt schon reichlich Respekt. Ihre Mitarbeiter …«
    »Weil ich sie respektiere«, unt erbrach sie ihn. »Und weil ich meinen Job beherrsche.«
    Sie räusperte sich und spuckte über die Reling. »Aber vielleicht überrascht Sie das auch deshalb, weil ich eine Frau bin?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Viele Ausländer überrascht die Entdeckung, dass es hierzu-lande möglich ist, als Frau Karri ere zu machen und es zu etwas zu bringen. Die Machokultur ist nicht so verbreitet, für mich ist das größere Problem, dass ich Ausländerin bin.«
    Eine leichte Brise sorgte für eine gewisse Abkühlung in der feuchten Luft und aus ein paar Bäumen hörten sie das Zirpen der Heuschrecken, während sie in die gleiche blutrote Sonne starrten wie am Abend zuvor.
    »Was hat Sie bewogen, hierher zu ziehen?«
    Harry ahnte, dass er mit seiner Frage eine un sichtbare Grenze überschritt, aber er ließ es darauf ankommen.
    »Meine Mutter ist Thailänderi n«, sagte sie nach einer W eile.
    »Vater war während des Vietnam krieges in Saigon stationiert und lernte sie 1967 hier in Bangkok kennen.«
    Sie lachte und schob sich ein Kissen hinter den Rücken.
    »Mutter behauptet, schon in der ersten Nacht, in der sie zusammen waren, schwanger geworden zu sein.«
    »Mit Ihnen?«
    Sie nickte.

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    »Nach der Kapitulation nahm er uns mit in die USA, nach Fort Lauderdale, wo er als Oberstleu tnant Dienst tat. Als wir dort ankamen, entdeckte meine Mutter, dass er verheiratet gewesen war, als sie sich kennenlernten. Er hatte nach Hause geschrieben und die Scheidung geregelt, als er
    erfahren hatte, dass sie
    schwanger war.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wenn er gewollt hätte, hätte er sie ohne Problem e in Bangkok sitzenlassen können . Vielleicht wollte er das auch, tief in seinem Inneren. Wer weiß.«
    »Sie haben ihn nicht gefragt?«
    »Auf so etwas will m an nicht wirklich eine ehrliche Antwort, oder? Außerdem weiß ich, dass ich nie eine ordentliche Antwort erhalten hätte. Das war einfach nicht seine Art.«
    »War?«
    »Ja. Er ist tot.«
    Sie wandte sich ihm zu.
    »Stört es Sie, dass ich über meine Familie spreche?«
    Harry biss in den Filter einer Zigarette.
    »Überhaupt nicht.«
    »Mein Vater hatte nie wirklich die Wahl, einfach abzuhauen, er war immer sehr verantwortungs bewusst. Als ich elf Jahre alt war, durfte ich von den Nachbarn in Fort Lauderdale ein kleines Kätzchen übernehmen. Nach viel Hin und Her erlaubte Vater es mir, unter der Bedingung, dass ic h mich selbst ordentlich u m das Tier kü mmerte. Nach zwei Wochen hatte ich keine Lust mehr und fragte, ob ich die Kat ze zurückgeben könne. Da nahm Vater mich und die Katze m it nach unten in die Garage. ›Man kann sich von seiner V erantwortung nicht davonstehlen‹, sagte er. ›Das ist die Basis unserer Zivilisation‹. Dann nahm er

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