Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
we iter gegangen. Vielleicht haben wir es mit Kinderprostitution zu tun.«
»Vielleicht. Reden Sie weiter.«
»Das Handy. Es war verschwunden, als wir ihn fanden, und es befindet sich weder in seinem Büro noch bei ihm zu Hause.«
»Der Mörder kann es mitgenommen haben.«
»Ja, aber warum? Wenn er ein Dieb war, warum hat er dann nicht auch das Geld und das Auto genommen?«
Crumley kratzte sich am Ohr.
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»Spuren«, sagte Harry. »Der Mörd er war peinlich darauf be-dacht, keine Spuren zu hinterla ssen. Vielleicht hat er das Handy mitgenommen, weil es eine wichtige Fährte bedeutete?«
»Was sollte das sein?«
»Was macht ein typischer Handynutzer, wenn er in einem Motelzimmer auf jemanden wartet? Auf jemanden, der auch ein Handy hat und sich durch den unvorhersagbaren Verkehrs-dschungel Bangkoks kämpft?«
»Er ruft an und fragt, ob der Betreffende noch weit entfernt ist.« Crumley sah noch immer aus, als verstehe sie nicht, worauf er hinauswollte.
»Molnes hatte ein Nokia-Telefon, genau wie ich.«
Harry holte sein Handy hervor.
»Wie die meisten Handys speichert das die letzten fünf bis zehn gewählten Rufnummern. Vielleicht haben Molnes und sein Mörder kurz vor ihrem Zusammentreffen miteinander telefoniert und der Mörder wusste, dass er über das Handy ermittelt werden könnte.«
»Tja«, sagte sie, allem Anschein nach nicht sonderlich beeindruckt. »Er hätte die Numm er doch einfach löschen und das Handy zurücklegen können. So ha t er uns doch eine indirekte Spur gegeben. Dass es sich um jemanden handeln m uss, den Molnes kannte.«
»Und wenn das Handy ausgeschaltet war? Hilde Molnes hat versucht, ihren Mann anzurufen, hat ihn aber nicht erreicht.
Ohne den PIN-Code des Geräts konnte der Mörder die Nummer nicht löschen.«
»O.k. Aber jetzt können wir einf ach die Telefongesellschaft kontaktieren und uns eine Auflistung geben lassen, welche Nummern Molnes an diesem Abend angerufen hat. Diejenigen, die uns in solchen Fällen dort unten weiterhelfen, haben jetzt schon Feierabend, aber ich werde sie morgen früh anrufen.«
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Harry kratzte sich am Kinn.
»Das ist nicht nötig. Ich habe mit Nho gesprochen, er kümmert sich bereits darum.«
»Ah ja«, sagte sie. »Gibt es irgendeinen speziellen Grund, warum ich davon nichts weiß?«
Er hörte nicht die Spur von Verärgerung in ihrer Stimm e. Sie fragte, weil Nho ihr Mitarbeiter war und Harry quer über alle Kommandolinien operiert hatte. Es ging nicht darum , wer Chef war und wer nicht, sondern darum, die Ermittlungen effizient zu führen. Und das oblag ihrer Verantwortung.
»Sie waren nicht da, Cr umley. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich etwas vorschnell war.«
»Schon in Ordnung, Harry. Sie sagen es selbst – ich war nicht da. Und wir können uns gerne duzen. Liz …«
Sie waren jetzt ein gutes Stüc k flussauf gefahren. Die Kom -
missarin deutete auf ein Haus hinter einem großen Garten.
»Dort wohnt ein Landsmann von dir«, sagte sie.
»Woher weißt du das?«
»Es gab einen ziem lichen Wirbel in den Zeitungen, als er dieses Haus dort baute. Du sieh st ja, dass das wie ein Tempel aussieht. Die Buddhisten gingen auf die Barrikaden, weil ein Heide so wohnt, für die war das Blasphem ie. Außerdem kam heraus, dass das Haus m it Material aus einem bur mesischen Tempel erbaut worden ist, der in einem um strittenen Grenzge-biet Thailands lag. In der dam
aligen Zeit gab es reichlich
Spannungen mit Schießereien und so weiter, so dass die Menschen von dort wegzogen. Der Norweger hat den Tempel für einen Spottpreis gekauft, und da das ganze Interieur der Tempel dort aus Teakholz ist, konnte er alles demontieren und hierher nach Bangkok bringen.«
»Schon seltsam«, sagte Harry, »Wie heißt er?«
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»Ove Klipra. Er ist einer der größten Bauunternehm er in
Bangkok. Ich denke, du wirst noch von ihm hören, wenn du eine Weile hier bist.«
Sie bat den Steuermann umzukehren.
»Nho sollte diese Liste bald haben. Was hältst du von Take-away?«
Die Liste war da und sie ließ Harrys Theorie wie ein Kartenhaus zusammenstürzen.
»Das letzte Gespräch wurde um 17.55 Uhr registriert«, erklärte Nho. »Er hat, mit anderen Worten, nicht mehr telefoniert, nachdem er im Motel war.«
Harry blickte in seine Plastikschüssel mit der Nudelsuppe. Die weißen Würmchen sahen aus wie eine blasse, abgem agerte
Variante von Spaghetti und es be unruhigte ihn, dass sich die Suppe an den seltsam sten Stellen bewegte, wenn er m it seinen
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