Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
Botschafterwohnung statt. Er hat mich in der Garage gefickt, das m uss so zwei, drei Stunden später gewesen sein. Ich drücke das so passiv aus, weil ich zu diese m Zeitpunkt vermutlich bereits so voll war, dass er meine Mithilfe kaum brauchte. Oder m ein Einverständnis. Aber das hatte er beim nächsten Mal. Oder danach, ich weiß nicht m ehr genau.
Auf jeden Fall lernten wir uns nach ein paar Runden kennen und das wollten Sie doch wissen, oder? Ja, und seither kennen wir uns. Und mittlerweile ziemlich gut. Reicht Ihnen das, Komm issar?«
Harry spürte, dass er irritiert war. Vielleicht lag das an der Art, wie sie ihre eigene Gleichgül tigkeit und Selbstverachtung zur Schau stellte. Sie gab ihm auf jeden Fall keinen Grund, die Glacéhandschuhe anzubehalten.
»Sie haben ausgesagt, dass Sie an dem Tag, an dem Ihr Mann ermordet wurde, zu Hause waren. Wo genau waren Sie von fünf Uhr nachmittags bis Sie die Nach richt erhielten, dass er tot aufgefunden worden war?«
»Ich erinnere mich nicht!«
Sie krächzte, es klang wie der Schrei eines Raben in einem morgendlich stillen W ald, und Harry bem erkte, dass sie die 197
Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich zogen. E
inen
Moment lang sah es so aus, als wolle sie vom Stuhl fallen, doch dann fand sie das Gleichgewicht wieder.
»Keine Angst, Kommi ssar. Ich habe näm lich ein Alibi, so heißt das doch, oder? Ja, ja, ein wunderbares Alibi. Das kann ich Ihnen sagen. Meine Tochter wird Ihnen sicher voller W
onne
bestätigen, dass ich an diesem Abend kaum mehr in der Lage gewesen bin, m ich selbstständig zu bewegen. Ich weiß noch, dass ich m ir nach dem Essen eine Flasche Gin geöffnet habe, und ich schätze, dass ich irgendw ann eingeschlafen bin, dann wieder aufgewacht, weitergetrunken, eingeschlafen, aufgewacht und so weiter. Sie verstehen sicher.«
Harry verstand.
»Wollen Sie sonst noch etwas wissen, Kommissar Hole?«
Sie zog die Vokale in seinem Namen in die Länge, nicht sehr, aber genug, ihn zu provozieren.
»Nur, ob Sie Ihren Mann getötet haben, Frau Molnes.«
Mit einer verblüffend rasche n und geschmeidigen Bewegung ergriff sie ihr Glas, und noch ehe er sie stoppen konnte, hörte er es an seinem Ohr vorbeizischen und hinter sich an der Wand zerspringen. Sie schnitt eine Grimasse.
»Sie mögen mir das jetzt vielleicht nicht glauben, aber ich war Torschützenkönigin in der B- Jugend der Dam enhandballriege von Ørsta.« Ihre Stimm e war ruhig, als hätte sie das gerade Geschehene bereits hinter sich gelassen. Harry blickte in die entsetzten Gesichter, die sich ihnen zugewandt hatten.
»Damals war ich sechzehn, da s muss schrecklich lange her sein. Ich war das hübscheste Mädchen in … Aber das habe ich Ihnen sicher bereits erzählt. Und ich hatte Kurven, nicht so wie jetzt. Zusammen mit einer Freundin bin ich immer ganz verse-hentlich und nur m it einem winzigen Handtuch in der Hand in die Umkleide des Schiedsrichters gegangen. Entschuldigt haben wir das immer damit, dass wir uns nach dem Duschen in der Tür 198
geirrt haben. Alles für die Mannschaft natürlich. Aber ich glaube nicht, dass sich das wirklich auf das Pfeifen ausgewirkt hat. Die haben sich sicher gefragt, wa s wir vor dem Spiel unter der Dusche wollten.«
Plötzlich stand sie vom Tisch auf und schrie: »Ørstajungs hei, Ørstajungs hei, Ørstajungs hei, hei, hei!« Dann ließ sie sich wieder auf den Stuhl fallen. Es war still geworden im Lokal.
»Unser Kampfruf, das geht nicht m it ›Ørstamädchen‹, verstehen Sie? Wegen des Rhythm us, aber wer weiß, vielleicht wollten wir auch nur im Mittelpunkt stehen.«
Harry stützte sie unter dem Arm und half ihr die Treppe hinunter. Er nannte dem Taxifahrer die Adresse, gab ihm einen
Fünfdollarschein und bat ihn, dafür zu sorgen, dass sie auch ins Haus kam. Er verstand ansche inend nicht viel von de m, was Harry sagte, schien aber die Bedeutung seiner Worte zu kapieren.
Auf der Soi 2 unweit vom Silom Hotel ging er in eine Bar. Es war beinahe leer am Tresen und auf der Bühne standen ein paar Go-Go-Girls, die an diesem Abend noch nicht freigekauft worden waren und diesbezüglich scheinbar auch keine großen Hoffnungen mehr hatten. Es sah aus, als wären sie m it dem
Abwasch beschäftigt, wenn sie pflichtbewusst ihre Beine schüt -
telten, während ihre Brüste zu »When Susannah Cries« auf und ab hüpften. Harry konnte nicht sagen, was trauriger aussah.
Jemand stellte ein Bier vor ihn hin, das er nicht bestellt
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