Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
stoßen. Das Am t ist
berüchtigt für seine Inzucht, was das angeht, sind wir noch schlimmer als das Norwegische Fernsehen NRK.«
Torhus kicherte weiter.
»Der Liebhaber gehört nicht zu m Auswärtigen Dienst«, sagte Harry. »Es ist ein Norweger, ein richtiger lokaler Gecko hier unten, ein Big-tim e-Währungsmakler. Jens Brecke. Zuerst dachte ich, er hätte etwas mit der Tochter des Hauses, aber dann zeigte sich, dass es um Hilde Molnes ging. Sie haben sich fast unmittelbar nach der Ankunft der Fam ilie hier unten getroffen, nach Ansicht der Tochter ist das mehr als eine flüchtige Beziehung. Es scheint ziemlich ernst zu sein und die Tochter rechnet damit, dass sie früher oder später zusammenziehen werden.«
»Das ist mir neu.«
»Auf jeden Fall gibt das der Frau ein m ögliches Motiv. Und ihrem Liebhaber.«
»Weil Molnes ihnen im Weg war?«
»Nein, im Gegenteil. Laut ihrer Tochter war es Hilde Moln es, die sich in all d iesen Jahren dagegen gewehrt hat, ihren Mann gehen zu lassen. Nach dem er seine politisch en Ambitionen 189
zurückgeschraubt hatte, brauchte er wohl den trügerischen Schutz nicht mehr, den ihm diese scheinbar funktionierende Ehe gab. Vermutlich hat s ie das Sorg erecht für die Tochte r als Druckmittel verwendet. Das m acht man dann doch so, oder ?
Nein, das Motiv ist sicher weniger edel. Der Familie Molnes soll doch halb Ørsta gehören.«
»Stimmt.«
»Ich habe Møller gebeten zu überprüfen, ob es ein Testam ent gibt und ob Atle Moln es im Besitz von Fa milienaktien oder anderen Wertpapieren war.«
»Nun, das ist wirklich nicht m ein Fachgebiet, Hole, aber verkomplizieren Sie jetzt die S ache nicht ein wenig? Es kann doch auch einfach irgendein Verrückter gewesen sein, der beim Botschafter angeklopft und ihn erstochen hat?«
»Vielleicht. Haben Sie grundsätzl ich etwas dagegen, dass es sich bei diesem Verrückten um einen Norweger handelt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Reine Lustmörder stechen ihre n Opfern nicht ein Messer in den Rücken und beseitigen dann alle Spuren am Tatort. Die
wirklich Verrückten las sen etwas am Tatort zu rück, damit sie mit der Polizei Katz und Maus spielen können. In diesem Fall haben wir nichts – gar nichts. Glauben Sie mir, wir haben es hier mit einem genauestens geplanten Mord zu tun, und zwar nicht von irgendeinem verspielten Täter, sondern von jem andem, der die Tat hinter sich brin gen und dann darauf wa ren wollte, dass der Fall aufgrund fehlender Beweis e zu den Akten gelegt wird.
Aber wer weiß – v ielleicht bedarf es einer ebenso großen Verrücktheit, einen solchen Mord zu begehen. Und die einzigen Verrückten, die m ir in dieser Sache bis jetzt über den We g gelaufen sind, sprachen Norwegisch.«
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KAPITEL 25
Harry fand auf der Soi 1 in Pa tpong schließlich den Eingang zwischen zwei Stripbars. Er ging die Treppen hoch und kam in einen halbdunklen Raum, unter dessen Decke sich langsam ein gigantischer Ventilator drehte. Harry zog unter den gewaltigen Rotorblättern unwillkürlich den Hals e in. Er hatte ber eits bemerkt, dass die Tür- und Deck enhöhen hier unten nicht für seine 190 Zentimeter berechnet waren.
Hilde Molnes saß an einem Tisch ganz hinten im Restaurant.
Aufgrund ihrer Sonnenbrille, die sie vermutlich aufgesetzt hatte, um die Anonymität zu wahren, ha tte sie, wie er annahm , wohl jeder im Lokal schon bemerkt.
»Ich mag eigentlich keinen Rei sschnaps«, sagte sie und leerte das Glas. »Außer Mekong. Darf ic h Ihnen ein Gläschen anbie-ten, Herr Kommissar?«
Harry schüttelte den Kopf. Si e schnippte mit den Fingern und bekam ihr Glas aufgefüllt.
»Sie kennen mich hier«, sagte sie. »Sie hören von sich aus auf, wenn sie der Ansicht sind, ich habe genug. Und dann habe ich in der Regel auch genug.« Sie lachte heiser.
»Ich hoffe, es ist für Sie in Ordnung, dass wir uns hier treffen.
Zu Hause ist es im Moment so … traur ig. Was wollen Sie mit mir besprechen, Herr Kommissar?«
Sie sprach die W orte mit der etwas zu deutlichen Betonung aus, die Personen kennzeichnet, die aus Gewohnheit zu verbergen suchen, dass sie getrunken haben.
»Wir haben soeben bestätigt bekommen, dass Sie und Jens Brekke regelmäßige Gäste im Hotel Maradiz waren.«
»Sieh mal einer an!«, sagte Hilde Molnes. »E ndlich jemand, der seine Arbeit m acht. Wenn Sie hier mit dem Kellner reden, 191
wird der Ihnen sagen, dass Jens Brekke und ich auch hier regelmäßige Gäste sind.« Sie spu ckte die W orte beinahe
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