Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
Augen flackerten wie bei eine m in die Eng e getriebenen Tier. Die Körpersp rache veränderte sich, so dass selbst der m aßgeschneiderte Armani-Anzug nicht mehr richtig saß. Brekke hielt den Kopf hoch, er sah aber dennoch aus, als wäre er irgendwie zusammengeschrumpft.
Dabei war Brekke gar nicht fe stgenommen, sondern bloß zum Verhör vorgeladen worden, doch für jem anden, der niem als zuvor von zwei bewaffneten Beam ten abgeholt worden war, die nicht einmal fragten, ob ihm der Zeitpunkt passte, waren solche Unterschiede rein akademischer Natur. Als Harry den Mann i m Verhörraum sah, erschien ihm der Gedanke, dass Brekke jemanden kaltblütig erstochen haben sollte, absurd. Doch diesen Gedanken hatte er schon einmal gehabt und sich geirrt.
»Wir sind gezwungen, das Verhör auf Englisch zu führen«, sagte Harry und setzte sich vor ihn hin. »Es wird auf Band aufgezeichnet.« Er zeigte auf das Mikrofon vor sich.
»O. k.« Bre kke versuchte zu lächeln. Es sah aus, als ziehe jemand mit eisernen Klauen an seinen Mundwinkeln.
»Ich musste darum kämpfen, dieses Verhör führen zu dürfen«, sagte Harry. »Da es aufgezeichnet wird, sollte es streng genom -
men von der thailändischen Polizei geführt werden, aber da Sie norwegischer Staatsbürger sind, hat der Polizeichef eingewil-ligt.«
»Danke.«
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»Nun ja, ich weiß nicht, ob Sie sich dafür bedanken sollten.
Hat man Sie darüber informiert, dass Sie das Recht haben, einen Anwalt hinzuzuziehen?«
»Ja.«
Harry wollte fragen, wieso er diese Möglichkeit nicht nutze, ließ es aber bleiben. Warum sollte er ihm die Gelegenheit geben, sich anders zu ents cheiden? Das thailänd ische Rechtssystem ähnelte dem norwegischen, wesh alb es keinen Grund für die Annahme gab, dass die Anwälte anders waren. Und wenn das stimmte, bestünde ihre erste Amtshandlung sicher darin, ihre m Klienten einzureden, die Aussage zu verweigern. Aber es war alles nach Vorschrift gelaufen, so dass er loslegen durfte.
Harry signalisierte, dass das Au fnahmegerät gestartet werden konnte. Nho kam herein und las ein paar Form alitäten vor, die am Anfang des Bandes erwähnt werden m ussten. Dann verschwand er wieder.
»Stimmt es, dass Sie ein Verhältn is mit Hilde Molnes hab en, der Frau des ermordeten Atle Molnes?«
»Was?« Zwei entsetzte, weit aufgerissene Augen starrten ihn von der anderen Seite des Tisches aus an.
»Ich habe mit Frau Molnes gesprochen und schlage Ihnen vor, die Wahrheit zu sagen.«
Es folgte eine Pause.
»Ja.«
»Etwas lauter, bitte.«
»Ja!«
»Wie lange besteht diese Beziehung bereits?«
»Ich weiß nicht. Lange.«
»Seit dem Willkommensempfang für den Botschaf ter vor anderthalb Jahren?«
»Tja …«
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»Tja?«
»Ja, das kann stimmen.«
»Wussten Sie, dass Frau Molnes über ein größeres Verm ögen verfügen würde, wenn ihr Mann sterben sollte?«
»Vermögen?«
»Drücke ich mich unklar aus?«
Brekke blies die Luft durch die Lippen, dass es zischte. »Das ist mir neu. Ich hatte das Gefühl , dass ih re finanziellen Mittel relativ begrenzt waren.«
»Ach ja? Als ich zuletzt mit Ihnen gesprochen habe, sagten Sie mir, dass es bei dem Gespräch, das Sie am 3. Januar mit Molnes in Ihrem Büro geführt hätten, um die Anlage von Geldern ging.
Wir wissen des W eiteren, dass Molnes größere Schulden hatte.
Für mich passt das nicht zusammen.«
Eine erneute Pause f olgte. Brekke wollte etw as sagen, hielt sich aber zurück.
»Ich habe gelogen«, sagte er schließlich.
»Sie erhalten jetzt eine Chance, die Wahrheit zu sagen.«
»Er kam zu mir, um mit mir über das Verhältnis zu Hilde …
seiner Frau zu sprechen. Er wollte, dass das ein Ende hatte.«
»Ein durchaus verständliches Anliegen, oder?«
Brekke zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie viel Sie über Molnes wissen.«
»Gehen Sie mal davon aus, dass wir nichts wissen.«
»Lassen Sie es mich so ausdrücken: Seine sexuellen Vorlieben passten nicht wirklich zu einer Ehe.«
Er sah auf. Harry nickte und gab ihm ein Zeichen, weiterzureden.
»Er war aber nich t aus Eifersucht so erpicht darauf, dass wir uns nicht mehr trafen. Es war bloß aus Rücksicht auf gewisse Gerüchte, die angeblich in Norweg en kursierten. Er sagte, dass 217
es diesen Gerüchten nur neue Nahrung geben würde, wenn das Verhältnis publik wurde, und dass das dann nicht nur ihm, sondern ganz unverschuldet auch anderen Menschen in wichtigen Positionen schaden würde. Ich habe versucht, ihn
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