Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Glaszylindern, Tonscheiben und einer Füllung verschiedener Flüssigkeiten aufgebaut hatte, einfach etwas mehr Zeit benötige, um die Goldschicht dicker werden zu lassen. Der Kaiser blieb skeptisch, selbst dann noch, als der offenbar beeindruckte Barasadan sich für Yonathan verwendete.
»Auch wenn die preziöse Metamorphose noch instabil sein mag, hat er doch eine fulminante Leistung vollbracht! Ich finde, das sollten Majestät honorieren.«
Zirgis ignorierte die Empfehlung seines Hofgenies und brüllte stattdessen: »Haben sich denn jetzt alle gegen mich verschworen? Selbst wenn er Gold gemacht hat – es ist nicht genug! Er bleibt hier, der Stab bleibt hier, alle bleiben. Beschlossen und…«
»Welcher Stab, Majestät?«, unterbrach Yonathan die besiegelnde Formel unschuldig. Er musste nun doch seinen letzten Trumpf ausspielen.
Zirgis schien jeden Sinn für Humor verloren zu haben. »Treib es nicht zu weit, Knabe!«, funkelte er Yonathan an. »Ich spreche von dem Stab Haschevet, wie du sehr wohl weißt. Jener Stab, den du ständig in dieser seltsamen langen Ledertasche mit dir herumträgst.«
»Ihr meint in dieser Tasche, Hoheit?« Yonathan deutete auf den Walhautköcher und lächelte. Er drehte sich auf dem Stuhl um, nahm das Behältnis von der Lehne und öffnete den Deckel.
Die Anwesenden hielten gespannt die Luft an.
Alsdann fiel die Kaiserin in Ohnmacht.
»Was ist nun das schon wieder für ein Trick?«, polterte der Kaiser. »Erst Eis, dann Gold und jetzt eine – Ratte?«
Der Masch-Masch kletterte auf Yonathans Schulter und blickte neugierig auf die am Tisch sitzenden Herren und die vornüber gekippte Dame.
»Wenn ich Euch korrigieren darf, Majestät, das ist keine Ratte, vielmehr dürfte es sich dem Phänotypus nach um einen Verwandten der…«
»Erspare mir deine Belehrungen, Bara!«, unterbrach der Kaiser die Erklärungen seines Genies und wandte sich drohend an Yonathan. »Wo hast du den Stab gelassen? Ich warne dich, Schwindel mich nicht an!«
»Er ist in Baltans Haus, schon seit dem ersten Tage, da Ihr mich in Eurem Palast gefangen haltet«, antwortete Yonathan.
Zirgis schnaufte. »Ich halte dich nicht gefangen! Du hast das Vorrecht bei mir am Hofe zu Gast zu sein. Du und – wenn es sein muss – auch dieses Vieh da.«
»Das ist ein Masch-Masch; sie heißt Gurgi und tut niemandem was.«
»Oh!« Das war die wieder zum Leben erwachte Kaiserin. »Ein Weibchen. Und keine Ratte. Eigentlich ganz niedlich, dein – Masch-Masch? Darf ich ihn mal…?«
»Schweig still!«, herrschte Zirgis seine Gemahlin an. »Und du, Knabe Yonathan, du wirst auf dem schnellsten Wege zu Baltans Haus eilen und den Stab hierher holen. Und wenn du nicht willst, dass ich die runde Hütte deines Freundes bis auf die Grundmauern niederbrenne, dann sieh zu, dass du genauso schnell wieder zurückkommst.«
Die Runde der Verschwörer in Baltans Ratszimmer krümmte sich vor Lachen. Yonathans List und die Niederlage des Kaisers fand den einhelligen Beifall seiner Freunde. Zur Herkunft seines Wissens, die Kunst des »Goldmachens« betreffend, äußerte er sich aber auch diesmal nicht.
Zirgis’ absurde Forderung hatte Yonathan anfangs sehr beunruhigt. Es schien, als würde sie ihn eine schlaflose Nacht kosten. Als er dann doch ins Reich der Träume sank, fand er sich in jenem blau schimmernden Nebel wieder, der sich erneut vor dem Sprossenfenster lichtete. Abermals hatte ihn der Klang der Flöte gerufen und wieder sprach sein Traumbruder lautlos zu ihm. Das Gesicht jenes anderen Jonathan schien ihm fahler und eingefallener als jemals zuvor.
»Du solltest mehr für deine Gesundheit tun«, mahnte Yonathan, doch sein Bruder lächelte nur schwach. Dann trennten wiederum Nebel und Dunkelheit die beiden ungleichen Spiegelbilder.
Am nächsten Morgen besuchte Yonathan Barasadan in seinem Labor und erhielt die erbetene Unterstützung »für ein kleines Experiment«. Den filzhaarigen Wissenschaftler jedenfalls hatte Yonathan beeindruckt.
Doch jetzt mussten die Fluchtpläne eiligst besprochen werden. Draußen vor den Mauern standen vierundsechzig Soldaten, von dem einen Gedanken beseelt ihren Schützling möglichst schnell wieder in den Palast zurückzubringen.
»Ich habe lange überlegt, was wir tun können«, begann Baltan. »Wie ihr wisst, ist mein Einfluss bei Hof nicht gering. Anfangs dachte ich daran, einfach den Wachplan ein wenig… sagen wir: umzustellen. Ich wollte meine eigenen Leute für den Schutz von Barasadans
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