Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
überwiegt diese kleine Schwäche um ein Vielfaches. Das habe ich sofort bemerkt, als ich dich kennen lernte-erinnerst du dich noch, wie du unserem hochnäsigen Barasadan einen gehörigen Dämpfer erteiltest?« Er lächelte, doch dann fügte er ernst hinzu: »Außerdem ist Angst manchmal mehr wert als übertriebener Heldenmut: Erstere mahnt zur Vorsicht, Letzterer ist oft der Wegbereiter für tödlichen Leichtsinn.«
Auch Yomi musste sich noch äußern. »Das stimmt. Was glaubst du, wie oft ich die Hosen schon gestrichen voll hatte! Zu guter Letzt hat es mir eher genützt als geschadet. Außerdem sind wir doch eine Gemeinschaft, oder nicht? Ich bin ja für dich eingesprungen, solange es dir so unheimlich schlecht ging.«
Gimbars Miene entspannte sich, und geradezu feierlich verkündete er: »Ja, wir sind wirklich eine Gemeinschaft von Freunden! Ich werde immer zur Stelle sein, wenn diese Gemeinschaft mich braucht. Vor allem aber verspreche ich, dass ich Yonathan zur Seite stehen will, komme, was da wolle. Er ist der Stabträger!«
Dem war nichts hinzuzufügen. Die Freunde nickten und sie spürten alle vier, dass sie jetzt ein Bund waren, den nichts, was Bar-Hazzat aufzubieten hatte, würde sprengen können.
Nach einer Weile des Schweigens fragte Yonathan: »Wie geht es jetzt weiter? Müssen wir nicht aufbrechen, um Baltan zu treffen?«
»Das müssten wir, Yonathan«, sagte Felin. »Ich kann mir vorstellen, dass mein Vater ein reges Interesse daran hat, deiner habhaft zu werden – von mir gar nicht zu reden. Sicher wird er spätestens heute früh Suchtrupps aussenden. Wir haben vielleicht einen Vorsprung von zehn, wenn es hoch kommt zwölf Stunden.«
»Heute Nachmittag wird es deshalb hier ziemlich lebhaft werden«, fügte Yomi hinzu.
»Richtig«, bestätigte Felin. »Wir müssten eigentlich sofort los. Wenn da nicht die Beule an deinem Kopf wäre…«
»Mein Kopf?« Yonathan setzte sich auf. »Mit meinem Kopf ist alles in Ordnung. Wegen mir – autsch!« Ein Feuerwerk explodierte unter seinem Schädel. Er hatte sich ein wenig zu forsch aufgerichtet und gleichzeitig mit der Hand nach der Beule gefahndet.
»Das tut unheimlich weh, was?«, bemerkte Yomi.
»Ach was!«, stöhnte Yonathan und sank behutsam auf das Lager zurück. »Ich wollte dir nur einen Schreck einjagen.«
»Das habe ich befürchtet«, sagte Gimbar. »Dein Kopf hat doch mehr abbekommen, als uns allen lieb sein kann.«
»Wie meinst du das?« Yonathans Stimme kratzte.
»Ich habe einmal erlebt, wie einer unserer Seeleute von einer Rah am Kopf getroffen wurde. Er nahm es nicht ernst und war beim nächsten Kapergang wieder dabei – wenig später ist er dann einfach tot umgefallen.«
»Piratengeschichten!«, versetzte Yomi.
»Gimbar hat Recht«, sagte Felin. »Yonathan braucht Ruhe.«
Der schluckte. »Wir müssen aber doch irgendetwas unternehmen: Hier bleiben können wir nicht, und dass ich mit euch gehe, das wollt ihr auch nicht. Möchtet ihr mich vielleicht dort oben in die Bäume hängen, bis der Trubel vorüber ist?«
»Das ist es!«, platzte Gimbar heraus. »Wir hängen dich nichtin die Bäume, keine Angst. Aber wir bauen aus den Ästen eine Trage. So kannst du liegen bleiben und trotzdem können wir von hier verschwinden!«
»Genial!«, meinte Yomi lakonisch.
»Hast du einen besseren Vorschlag, Langer?«
»Nein, Pirat, aber ich freue mich schon darauf, wenn deine Arme genauso lang sind wie meine.«
Yonathan war nicht wohl in seiner Haut. Dass seine Gefährten sich abmühten und ihn Meile um Meile mit sich schleppten, während er mehr oder weniger bequem in der ausÄsten zusammengebauten Trage lag, beschämte ihn. Aber dagegen protestieren konnte er auch nicht. Sein Kopf überredete ihn, die freundschaftliche Aufopferungsbereitschaft noch eine Weile länger in Anspruch zu nehmen. Jede Bewegung dieses Fremdkörpers, der da wie auf Stacheln zwischen seinen Schultern ruhte, bereitete ihm Schmerzen.
Natürlich kamen die Flüchtenden nicht in dem Tempo voran, wie sie sich gewünscht hätten. Das Gelände war schwierig. Sie wollten nicht gesehen werden. Also führte Felin sie durch schmale Seitentäler, unter dem Dach des Waldes hindurch oder über schlüpfrige Felswege hinweg. Als sie bei schwindendem Tageslicht eine kleine Waldlichtung für das Nachtlager auswählten, waren alle erschöpft und missmutig.
»Baltans Lager müsste etwa zwei Tagesreisen von dem Punkt entfernt liegen, an dem Barasadans Luftschiff niedergegangen ist«,
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