Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
gewünschte Ergebnis herbeiführte, enttäuschte Jonathan merkwürdigerweise kaum. Später staunte er nur, wie klug doch Yonathans Worte gewesen waren, die er unmittelbar vor der übernatürlichen Umgestaltung des kaiserlichen Familienschwertes gegenüber Felin geäußert hatte. Mit erstaunlicher Unbekümmertheit hatte er eingestanden, er selbst kenne keine Lösung für die Prüfung des Kaisers. Aber er wolle auf die Unterstützung Yehwohs vertrauen. Schließlich sei es nicht so wichtig, ob sich diese Hilfe dann genau in der erhofften Weise einstellen würde; entscheidend sei, dass sie am Ende zum gewünschten Ziel führe.
Yonathan hatte jedenfalls sein Ziel erreicht. Aber Jonathan war das erneute Eingreifen in die Traumereignisse nicht gut bekommen. Schon als er mit seinem neschanischen Bruder in Kontakt getreten war, um ihn in die Geheimnisse des »Goldmachens« einzuweihen, hatte er sich sehr schwach gefühlt. Selbst Yonathan war dies aufgefallen: Erstmals hatte er sein Schweigen gebrochen und ihn mit sorgenvoller Stimme ermahnt, mehr auf seine Gesundheit Acht zu geben. Als Yonathan dann von dem letzten Traum erwacht war, hatte er sich schwächer denn je gefühlt.
Die Gründe hierfür durfte er sicher nicht in den Umständen suchen, die der abrupten Beendigung des Traumes vorausgegangen waren: der Bruchlandung von Barasadans Heißluftballon; dem Sturz Yonathans und vielleicht sogar einer schweren Verletzung, die er dabei erlitten haben mochte. Irgendwie würde es schon weitergehen, machte Jonathan sich Mut.
Nein, für Jonathans zunehmende Schwäche gab es bestimmt andere Ursachen. Bezeichnend war, was Professor Macleod sagte. Der Arzt von der Universität Edinburgh war genau an jenem 16. Januar auf Jabbok House eingetroffen, als Jonathan von der geträumten Havarie des Luftschiffes erwacht war. Nach einer ersten Untersuchung des jungen Patienten hatte Macleod diagnostiziert: »Dem Jungen fehlt eigentlich nichts. Ich könnte nicht einmal behaupten, dass er krank ist. Gut, ich kann noch einiges überprüfen, aber ich mache mir kaum Hoffnungen, noch etwas anderes zu finden als das, was ich ohnehin schon weiß.«
»Machen Sie es nicht so spannend«, hatte der alte Lord Jabbok ungeduldig erwidert. »Was wissen Sie bereits?«
Macleod hatte bedauernd die Schultern gehoben und geantwortet: »Es gibt weder einen erkennbaren Grund noch etwas, das ich dagegen zu tun wüsste: Euer Enkel ist wie eine undichte Karaffe, aus der die letzten Tropfen eines kostbaren Weins rinnen. Nur dass es kein Wein ist, der unaufhaltsam aus ihm herausfließt. Es ist seine Lebenskraft.«
V. Mara
Einige wichtige Begegnungen
Das Knistern und Rascheln wurde unerträglich. Er konnte es nicht länger ignorieren! Yonathan öffnete langsam die Augen. Seine Lider flimmerten und sein Blick war verschwommen. Lange Zeit war er in der dunklen, warmen Tiefe der Bewusstlosigkeit getrieben. Nur ab und zu hatten sich ihm kurze Traumbilder gezeigt, von einem Jungen, der offenbar krank im Bett daniederlag.
Aber dann waren Geräusche an sein Ohr gedrungen: zuerst nur ein leises Rauschen; ab und zu ein dumpfes »Plopp, Plopp-Plopp, Plopp«; dann aber immer öfter dieses aufdringliche Rascheln und Knistern.
Als Yonathan endlich etwas deutlicher sehen konnte, stellte er fest, dass er sich unter einer Art Zeltplane befand. An den Rändern dieses lose aufgehängten Baldachins konnte er vorbeischauen: Er sah Bäume, die Kronen von Kiefern. Gleichzeitig stieg der feuchte, aromatische Geruch des Waldes in seine Nase – es musste bis vor kurzem geregnet haben. Abund zu bildete sich hoch oben in den Ästen ein kleines Rinnsal und tröpfelte mit dem bewussten Ploppen auf die Schutzabdeckung hernieder. Hoch oben wölbte sich ein bleigrauer Himmel.
In regelmäßigen Abständen trübte sich Yonathans Blick, und es dauerte eine Weile, bis er feststellte, dass es sein Atem war, der kleine Wölkchen bildete, die vor ihm aufstiegen. Er lag auf dem Rücken und hatte den Kopf noch nicht bewegt. Deshalb konnte er auch nicht genau die Quelle jener störenden Geräusche ausmachen.
Er musste wohl oder übel nachschauen. Yonathan nahm all seine Kraft zusammen und drückte das Kinn auf die Brust. Was er dort, kaum eine Handspanne entfernt, entdeckte, war eine pelzige Kugel, die sich mit einem Kiefernzapfen abplagte
– Gurgi, das Masch-Masch-Weibchen. Ein stechender Schmerz zuckte durch Yonathans Schädel. Laut stöhnend ließ er den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher