Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
gesund.«
»Wahrscheinlich ist er auf den Kopf gefallen«, vermutete Bithya.
Dritter Fehlschlag!, dachte Yonathan und schwieg.
Das Essen in Baltans Zelt war ein Festschmaus! Yonathan glaubte noch nie so gut gegessen zu haben. Außer ihm, seinen Freunden und Baltan waren noch Sahavel und Bithya zugegen, ein Mann, der als Yehsir, der Karawanenführer, vorgestellt worden war – und Schelima!
Im Trubel der Ereignisse hatte Yonathan Baltans anmutige Tochter ganz übersehen. Aber das war auch kaum verwunderlich, denn als Gimbar und Schelima sich erst einmal erblickt hatten, schien die Welt um sie zu versinken. Sie standen bewegungslos da, hielten sich bei den Händen und schauten sich an, als suchten sie irgendetwas in den Augen des anderen. Es war nicht einfach für Baltan gewesen, die beiden aus ihrer Starre zu befreien und erst, als sie sich auf den großen, weichen Sitzkissen niedergelassen hatten und der herrliche Duft der frisch zubereiteten Speisen in ihre Nasen stieg, kam langsam wieder Leben in sie.
»Wir werden euch ein Stück auf eurem Wege begleiten«, eröffnete Baltan das Gespräch.
»Uns begleiten?« Yonathan war erstaunt. »Aber wir hatten doch festgestellt, dass das viel zu auffällig wäre.«
»Keine Angst, mein Junge«, beruhigte ihn Baltan. »Unsere Wege werden sich hinter Beli-Mekesch wieder trennen. Aber bis dahin könnte es sich als nützlich erweisen, wenn wir uns zumindest nicht allzu weit voneinander entfernen.«
»Hast du schon überlegt, wie wir die Pferde und das Gepäck durch Beli-Mekesch bekommen sollen, wenn wir über die Stadtmauer klettern müssen?«, fragte Gimbar.
Yonathan antwortete mit einem entgeisterten Blick. Bithya, die schräg gegenüber saß, lächelte ein wenig spöttisch.
»Also«, begann Gimbar von neuem, »wir haben uns das so gedacht: Baltan wird unter einem Vorwand die Torwachen von Beli-Mekesch ablenken. Wir dringen derweil in die Stadt ein – vermutlich wird uns wirklich nichts anderes übrig bleiben, als über die Mauer zu klettern. Anschließend schleichen wir uns durch die nächtlichen Straßen zur gegenüberliegenden Seite der Stadt, lenken irgendwie die dortigen Wachen ab und verschwinden wieder nach draußen. Am nächsten Morgen treffen wir uns dann mit Baltan. Er versorgt uns mit allem, was wir für unsere Reise brauchen.« Gimbars Blick streifte Schelima und mit einem Anflug von Bedauern setzte er hinzu: »Und dann verabschieden wir uns bis auf weiteres.«
»Hört sich alles ganz einfach an«, gab Yonathan zu. »Ich verstehe nur nicht, warum du, Baltan, eine so seltsame Reisegesellschaft zusammengestellt hast.« Er bemerkte mit Befriedigung einen Anflug von Empörung auf Bithyas Gesicht. Bevor Baltan antwortete, zeigte er sein altes, weises Lächeln und Yonathan hatte einmal mehr das Gefühl, dass er dem listigen, kleinen Tuchhändler um mindestens einen Schritt hinterherhinkte. »Die mit mir sind, habe ich nicht zufällig ausgewählt, Yonathan. Ich werde dafür sorgen, dass Sahavel und Bithya in meiner Obhut unbeschadet nach Ganor gelangen. Sahavel gehört wie ich zu den Charosim. Er hat wichtige Nachrichten für Goel. Außerdem ist die Lage in Cedanor für ihn in letzter Zeit ziemlich unsicher geworden – seit dem Tage, als man dich im Sedin-Palast festzuhalten begann. Zirgis hat Sahavel unter einem fadenscheinigen
Vorwand aus dem Palast geschickt und ihn seitdem nicht wieder hereingelassen.«
»Ich vermute, Zirgis ahnte, dass ich ihm in seinem Verhalten dir gegenüber nicht zustimmen würde«, ergänzte Sahavel.
»Das ist sehr gelinde ausgedrückt, mein werter Lehrmeister«, meldete sich Felin zu Wort. »Du hast meinem Vater mehr als einmal gehörig Feuer unter dem Hintern gemacht! Das hat er nicht gern. Aber als offiziellen Vertreter des Richterstuhls konnte er dich nicht einfach verschwinden lassen. Wahrscheinlich wollte er mit deiner Verbannung einer neuerlichen Strafpredigt aus dem Wege gehen.«
»Wie auch immer«, nahm jetzt wieder Baltan den Gesprächsfaden auf, »Sahavels Nachrichten sind für Goel sehr wichtig, und da der Kaiser mich zur Zeit auch lieber nur von weitem sieht, hat es sich angeboten, dass ich den Botschafter Gan Mischpads begleite.« Listig lächelnd schaute er in die Runde. »Ich habe ein Dutzend ›Handelsgehilfen‹ dabei, die sich sehr gut im Fechten und Bogenschießen auskennen. Das könnte sich als recht nützlich erweisen, sollte sich unterwegs eine Räuberbande finden, die meint, unsere Handelswaren mit uns
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