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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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solltest schlafen, mein Freund. Der heutige Tag wird bestimmt nicht leicht.«
    »Ich kann nicht, Felin. Ich finde keine Ruhe. Irgendetwas stimmt nicht.«
    Felins blaue Augen musterten Yonathan in der Dunkelheit. »Mir ist nichts aufgefallen. Vielleicht liegt es an der Mara. Uns allen ist nicht sehr wohl zumute bei dem Gedanken…«
    »Nein«, unterbrach Yonathan den Freund. »Das ist es nicht.« Er schaute sich unruhig um. Der schwache Schimmer des eben erst dämmernden Tageslichts malte unheimliche Bilder zwischen die dunklen Schatten der Bäume. Wie erstarrte Krieger ragten sie aus dem lautlos wabernden Meer des Bodennebels auf. Unwillkürlich flüsterte Yonathan noch leiser.
    »Ich habe das Gefühl, wir werden beobachtet.«
    Felins Augen suchten Nebel und Schatten ab. Aber er konnte nichts Verdächtiges entdecken.
    Unvermittelt spürte Yonathan ein Ziehen im Hinterkopf, wie wenn jemand heißes Wasser darüber gösse. »Vorsicht!«, schrie er, ließ sich rückwärts vom Baumstamm fallen und riss Felin am Ärmel mit sich.
    Noch während sie fielen, hörten sie ein helles Zischen und gleich darauf das satte Geräusch eines sich ins Holz bohrenden Pfeils.
    Unbewusst registrierte Yonathan, dass dem Einschlag des Geschosses das charakteristische Schnarren fehlte. »Eine Armbrust!«, vermutete er.
    Auch Felin hatte die auffällige Kürze des Pfeils bemerkt und flüsterte: »Da wollte jemand uns beide mit einem einzigen Schuss zum Schweigen bringen.«
    »Ein Kaisertrupp?«
    Felin schüttelte den Kopf, während seine Augen die Schatten des Waldes absuchten. »Eine Armbrust ist zwar keine Waffe von gewöhnlichen Straßenräubern, aber die Soldaten meines Vaters sind normalerweise auch nicht so schießwütig. Ich kann mir nicht denken, dass er die Order ausgegeben hat, uns ›tot oder lebendig‹ einzufangen.«
    Yonathans kurzer, schriller Warnruf hatte Yomi, Gimbar und Yehsir aus dem Schlaf gerissen. Instinktiv hatten sie sich in verschiedenen Richtungen verteilt. Erst dann bemerkten sie, dass das Lagerfeuer längst erloschen war; es hätte sie ohnehin nicht verraten können.
    Der Morgenschimmer sickerte bereits in den Wald. Yonathan konnte ihn nicht willkommen heißen. Bald würden die niedrigen Büsche, in deren Schatten sie Deckung gesucht hatten, sie nicht mehr verbergen können. Was würden die unsichtbaren Angreifer dann mit ihnen anstellen?
    Gerade kam Gimbar herangeschlichen. »Piraten!«, raunte er.
    Yonathan erwiderte nichts. Er hatte es geahnt.
    »Mir gefällt es gar nicht, hier hocken zu bleiben, bis die anderen die Initiative ergreifen«, flüsterte Felin. »Was denkst du, Gimbar?«
    Der falkengesichtige Mann rieb sich nachdenklich den Nasenrücken. »Du hast Recht. Das Tageslicht bringt wahrscheinlich keinem einen Vorteil. Die Dunkelheit dagegen…« Er blickte erwartungsvoll auf Yonathan.
    »Was meinst du?«, fragte dieser.
    »Denk an den Stab.«
    Natürlich! Yonathan konnte im Dunkeln sehen, dank Haschevets Macht. Er musste diesen Vorteil nutzen, bevor es zu hell wurde.
    Mit beiden Händen umklammerte er das gewundene Holz des Stabes und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange und Yonathan konnte Einzelheiten erkennen: Bäume, Büsche – und Menschen!
    Tatsächlich konnte er in dem blauen Licht des Koach die Gestalten von Männern erkennen, schemenhaft, wie durch einen dünnen Schleier. »Da sind sie!«, raunte er.
    »Wie viele?«, erkundigte sich Gimbar.
    »Ich kann mindestens acht entdecken«, gab Yonathan nach einer Weile zurück. »Sie stehen hinter den Bäumen, zwei liegen flach auf der Erde und einer hockt hinter einem Busch.«
    »Ich kann mich gut in dieses Gesindel hineinversetzen«, flüsterte Gimbar mit ausdrucksloser Stimme. »Sie sind sich unschlüssig. Eigentlich hatten sie sich alles so schön vorgestellt: Im Schlaf hätten sie uns die Kehlen durchgeschnitten und wären zufrieden ihres Weges gezogen. Dass wir ihnen jetzt solche Probleme bereiten, passt ihnen gar nicht.«
    »Hast du einen Plan?«, wollte Felin wissen.
    Gimbar nickte. »Yonathan, kannst du uns genau sagen, wo sie stecken?«
    Yonathan deutete nacheinander auf die Verstecke der Angreifer.
    »Also«, wandte sich Gimbar wieder an Felin, »jeder von uns müsste zwei unschädlich machen, aber ich vermute, dass sie die Flucht ergreifen werden, sobald sie bemerken, wie gezielt wir sie angreifen.«
    Das alles gefiel Yonathan nicht. Einerseits wurmte es ihn, dass er in Gimbars Plan offenbar keine Rolle spielte, andererseits ahnte er,

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