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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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blickte ihn bedauernd an und sank in dessen Arme.
    Erst jetzt, als er Gimbar sanft zu Boden gleiten ließ, begriff Yonathan, was geschehen war. Gimbar war schützend vor ihn gesprungen und hatte mit seiner Brust den tödlichen Schuss aufgefangen, der ihm, Yonathan, gegolten hatte.
    Yehsir untersuchte die Wunde. Yonathan hielt den Atem an, hoffte auf ein Wunder. Doch der Karawanenführer hatte schnell die Schwere der Verletzung erkannt. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein!«, schrie Yonathan. Er konnte es nicht fassen. Gimbar! Sein treuer Gefährte. Gestern erst hatte Gimbar ihm gesagt, wie wichtig es für ihn sei, Yonathan zum Freund zu haben. Nie wollte er ihn im Stich lassen. Und jetzt das! Er hatte sein Leben geopfert, damit Yonathan seinen Weg fortsetzen konnte.
    Den Stab Haschevet in den Händen, lag Yonathan über Gimbars Brust und ließ seinen Tränen freien Lauf. Bittere Tränen des Zorns. Und der Verzweiflung.
    »Yonathan«, ertönte da Gimbars schwache Stimme. »Weine nicht um mich, nicht bevor du dein Ziel erreicht hast.«
    Yonathan hob den Kopf. Durch seine Tränen hindurch konnte er Gimbars Gesicht kaum wahrnehmen. »Wie konntest du das tun?«, rief er anklagend, als könne der Vorwurf alles ungeschehen machen.
    »Es war notwendig«, hauchte Gimbar mit schwacher Stimme. »Du weißt doch, was der Name Ason bedeutet: tödlicher Unfall. Sollte seine Hinterlist dich treffen? Das hätte Sethur gefallen…« Gimbar hustete. Blut rann ihm über die Lippen.
    »Nein«, beharrte Yonathan. Er wusste, dass Gimbar Recht hatte, aber er wollte es trotzdem nicht hinnehmen. »Nein, nein, nein…«
    Eine Hand legte sich tröstend auf seine Schulter. Es war Yomi. »Er hat richtig gehandelt, Yonathan. Ich weiß nicht, ob ich diesen Mut aufgebracht hätte.«
    Gimbars fahles Gesicht brachte ein verzerrtes Lächeln zustande. »Dann habe ich dir also endlich mal was recht gemacht, Yo?«
    Yomi schluckte. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Dazu hättest du dich nicht in einen Pfeil stürzen müssen, du sturer Pirat.«
    »Fein«, entgegnete Gimbar zufrieden. »Dann wird also doch noch etwas aus dem Yomi-Tag. Prinz!« Er wandte den Kopf Felin zu. »Könntest du bitte gleich dafür sorgen, sobald du Kaiser geworden bist?«
    Felins Augen waren voll tiefer Trauer. Aber er zwang sich zu einem Lächeln. »Wir werden ihn Gimbar-Tag nennen, mein Freund. Das verspreche ich dir.«
    »Nur eins stört mich«, flüsterte Gimbar. »Dass ich Schelima nicht wieder sehen werde. Du hattest es mir doch versprochen, Yonathan.«
    Yonathan glaubte, ein Pfeil würde sich auch durch seine Brust bohren. Obwohl Gimbar ohne Vorwurf gesprochen hatte, schmerzten die Worte wie brennende Geschosse. Wie sicher war er, Yonathan, sich doch gewesen, dass seine Worte die Wahrheit seien, die Verheißung einer schönen Zukunft für Gimbar und Schelima. Und jetzt?
    »Gräme dich nicht deshalb«, tröstete ihn Gimbar. Sein Gesicht enthielt keinen Zorn, keinen Vorwurf, und das machte für Yonathan alles nur noch schlimmer!
    »Ich habe dich geliebt, mein Freund. Anders als diesen langen Tölpel da.« Mit bleischweren Augen deutete Gimbar auf Yomi. »Und ich habe dich geachtet. Bleibe deiner Aufgabe treu, Yonathan. Behalte deine Liebe, deinen Mut und deine starrköpfige Ausdauer. Du wirst dein Ziel erreichen.«
    Gimbar schloss die Augen. Aber dann wandte er noch einmal alle Kraft auf und blickte in den Kreis seiner Gefährten. »Betet für mich«, bat er. »Damit Yehwoh meiner gedenke, wenn die Weltentaufe alles Böse verschlingen wird.«
    Gimbars Kopf sank zur Seite. Sein Atem erlosch. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.
    Yonathan legte die Stirn auf die blutige Brust des toten Gefährten. Er schüttelte den Kopf, wieder und wieder. Er wollte es nicht wahrhaben. Nicht Gimbar, nicht er! Nein, was dachte er da? Natürlich hätte er auch keinen seiner anderen Gefährten opfern wollen. Alle waren sie ihm lieb.
    Das Leben würde nicht mehr dasselbe sein. Und warum war das nötig gewesen? Warum hatte Yehwoh das zugelassen? Warum Gimbars Tod? »Warum!?«, schrie er laut. Konnte Gimbar nicht einfach aufstehen, und alles war wieder gut? »Gimbar!«, rief er immer wieder. »Gimbar!«
    »Verliert er jetzt den Verstand?«, hörte er Yomis besorgte Stimme wie von weit her fragen.
    Dann herrschte Schweigen, eine tiefe, kalte Stille, die Yonathan zu ersticken drohte. Keiner konnte ihm helfen. Niemand von ihnen konnte Gimbar wieder lebendig machen. Er wünschte, er wäre an

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