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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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mich geworfen hat, der mit seinem eigenen Körper den tödlichen Pfeil Asons aufgefangen hat? Wenn du wirklich unwürdig wärest, dann hätte dich die Berührung Haschevets vernichtet. Aber er hat dir nur dieses Mal eingebrannt.«
    »Es heißt, der Tod sühnt alle Sünden. Und mein Tod stand unabänderlich fest. Vielleicht hat mich der Stab deshalb verschont. Wer keine Sünde hat, kann auch nicht böse sein, und Haschevet zerstört nur das Böse.« Gimbar rieb sich nachdenklich den Nasenrücken. Dann zuckte er die Achseln und sagte: »Aber jetzt lass uns gehen. Die anderen warten schon.«
    Bei dem Gedanken, auf Kumis schwankenden Rücken zu klettern, überkam Yonathan ein Schwindelgefühl. »Könntest du nicht heute Kumi reiten und ich nehme dein Pferd?«, fragte er zaghaft.
    Gimbar warf lachend den Kopf in den Nacken und erwiderte: »Schieß noch zwei oder drei Pfeile durch mich hindurch, Yonathan, aber verlang nicht das von mir. Ich habe vorhin versucht Kumi zu dir zu bringen. Dabei hätte er mir beinahe die Haare vom Kopf gefressen.«
    »Schon gut«, lenkte Yonathan ein. »Ich dachte ja nur…«
     
     
Das Verlorene Wasser
     
    Yonathan hatte viel Zeit zum Nachdenken, als er wieder auf Kumis schwankendem Rücken saß. Selbst Gurgi konnte ihn kaum ablenken. Der Masch-Masch und das Lemak hatten sich angefreundet. Die beiden waren ein seltsames Gespann. Mit ungewohnter Gelassenheit ertrug das Wüstenschiff Gurgis Eskapaden, diente ihr mal als weitläufiges Gebiet für Klettergänge und dann wieder als Schlafstätte. Das dunkle Haarbüschel auf Kumis Kopf war Gurgis Lieblingsplatz; von dort aus schien in Wirklichkeit sie das Reittier zu lenken.
    Yonathan war aufgefallen, dass seine Gefährten ihn anders behandelten. Gimbar zeigte sich ihm gegenüber noch am offensten. Dennoch schien er Yonathan mit einer Ehrfurcht zu begegnen, die ganz neu war. Bei den anderen trat dieses Verhalten noch deutlicher zutage. Sie benahmen sich in Yonathans Gegenwart zurückhaltend, ja beinahe scheu. Das störte ihn. Er wollte nicht anders sein als sie. Aber er musste zugeben, dass die Ereignisse des Morgens zu bedeutend waren, um einfach darüber hinwegzugehen. Gimbars Tod und seine anschließende Wiederbelebung hatten auch in Yonathan tiefe Spuren hinterlassen. Er fragte sich immer noch, ob Yehwoh sein Angebot, einige Lebensjahre für das Leben Gimbars einzutauschen, angenommen hatte. Ob in diesem Falle sein verbleibendes Leben ausreichen würde, um den Auftrag zu erfüllen?
    Was ihnen bevorstand, würde bestimmt nicht leichter werden als das, was hinter ihnen lag. Und vor ihnen lag die Mara, das verfluchte und öde Land. Yehsir meinte, dass es mindestens sechzig Tage dauern würde, die Wüste zu durchqueren. Würde er die Kraft haben dies alles durchzustehen?
    Die Karawane von vierundzwanzig Last- und fünf Reittieren bewegte sich langsam, aber beständig in südöstlicher Richtung. Der Aufbruch vom Schauplatz des morgendlichen Kampfes war ruhig und zügig vonstatten gegangen. Niemand verspürte besondere Lust zu größeren Unterhaltungen. Die Waldlichtung bot ein Bild der Verwüstung. Der Boden war mit Blut getränkt und Yonathan mied nach Kräften den Anblick der verstümmelten Leichen, die überall herumlagen. Auf Felins Frage, ob es nicht besser sei, die Toten zu begraben, antwortete Yehsir: »Das werden andere für uns erledigen, schon bald. Es wird nützlich sein, wenn wir dann schon ein gutes Stück entfernt sind.«
    Dagegen konnte man nichts vorbringen. Außerdem war es schwierig genug, mit achtundzwanzig Pferden und einem schneeweißen Lemak unbemerkt durch die weite Landschaft zu reisen.
    Immerhin brachte Yehsir es fertig, seine Schutzbefohlenen unentdeckt über die Pilgerstraße hinweg in das hügelige Land von Zurim-Kapporeth zu führen. Je weiter die Karawane sich vom Lauf des Cedan entfernte, umso unübersichtlicher wurde die Gegend. Hier, südöstlich von Beli-Mekesch, streckten sich die Ausläufer des felsigen Gebirges wie neugierige, lange Finger beinahe hundert Meilen weit der Mara entgegen. Zwischen den in West-Ost-Richtung verlaufenden Bergrücken gab es einsame Wildbachtäler, die nur von wenigen Schafhirten, Jägern und Kleinbauern bewohnt wurden. Das Land war karger als das Cedan-Tal, aber es war auch wesentlich ruhiger.
    »Warum gibt es so wenige Menschen hier?«, wollte Yonathan wissen.
    »Es ist die Mara«, lautete Yehsirs knappe Antwort. Doch die Art, wie der Schützende Schatten diese Worte herauspresste,

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