Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
zeigt sich das Handeln eines erwachsenen Mannes, nicht in Trotz und Eigensinn.« Yehsir drehte sich um und setzte sich wieder ans Feuer, ein Zeichen dafür, dass er der Meinung war, alles Wesentliche gesagt zu haben.
Schweigen entstand.
Yonathan wusste, dass es nun an ihm war, etwas zu sagen. Während er unsicher einen festen Halt für seinen Blick suchte, begann er zögernd: »Ich danke dir, Yehsir. Es ist gut, Freunde zu haben, die einem solche Worte sagen.« Er räusperte sich.
»Aber was ich vorhin gemeint habe, das muss ich wiederholen« – er lächelte verlegen – »wenn auch in etwas anderer Weise.«
Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
»Ich bin Yonathan. Das, was Yehwoh durch den Stab und durch mich bewirkt hat, machte aus mir keinen anderen Menschen, so wie es euer Benehmen andeutet. Ich bin ein Mensch wie ihr und ich möchte gern euer Freund bleiben, wie ich es war. Tut mir den Gefallen – bitte! – behandelt mich auch als einen solchen.«
Damit waren seine Worte erschöpft. Er senkte wieder den Blick zu Boden und wartete auf eine Reaktion, eine Geste oder das Wort eines seiner Gefährten.
Schließlich war es Yomi, der den ersten Schritt tat. Er trat zu Yonathan heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es stimmt: Die Auferweckung Gimbars war so unheimlich… etwas so Großes, dass es uns schwer gefallen ist, dich noch genauso zu behandeln wie vorher. Irgendwie warst du dadurch… wie soll ich sagen… entrückt von uns.«
»Aber ich habe doch nur einem Freund helfen wollen. Das hätte jeder von euch getan«, beteuerte Yonathan.
»Sicher«, pflichtete Felin ihm bei, der nun auch zu ihnen trat. »Nur hätte es niemand von uns vermocht. Es ist schön, dass du derselbe geblieben bist, obwohl du über eine solche Macht gebietest. Das wird es uns leichter machen. Aber es wird nie mehr so sein wie vorher. Yehsir hatte Recht: Du bist jetzt ein Mann geworden und als einen solchen wollen wir dich in unserer Mitte willkommen heißen.«
Seit diesem Abend waren zwei Wochen verstrichen und Felin hatte Recht behalten. Die ehrfürchtige Distanz zwischen Yonathan und seinen Freunden war fast nicht mehr zu spüren.
Aber eine letzte Ahnung davon existierte immer noch, würde wohl auch nie mehr ganz verschwinden. Vielleicht war das der Preis des Erwachsenseins.
Die Karawane war in den vergangenen vierzehn Tagen nur sehr langsam vorangekommen. Eine Ursache dafür lag in dem schwierigen Gelände. Der Zug aus Menschen und Tieren konnte nicht dem Verlauf von Tälern und Bächen folgen, sondern musste die unterschiedlichen Bergrücken, die »Finger« der Ausläufer von Zurim-Kapporeth, einen nach dem anderen überqueren.
Felin ritt als Späher voraus, denn wichtiger als ein schnelles Fortkommen war, dass die Reisegesellschaft unbemerkt blieb. Insgesamt neunundzwanzig Reit- und Packtiere waren nun mal nicht unauffällig. Und selbst diese Anzahl reichte nach Yehsirs Bekunden lange nicht aus, um die Wüste Mara ohne zusätzliche Wasseraufnahme zu durchqueren. Der Karawanenführer hoffte auf seine Erfahrung und auf Kumis Nase, um in dem toten Land der Mara Wasser zu finden. Wie er erklärte, sei diese Hoffnung nicht unbegründet.
»Aber warum sollte es keine Oasen geben, wo man Wasser finden kann?«, fragte Gimbar. Der Abend näherte sich bereits, und alle ritten dicht beieinander. Die Packpferde folgten in Zweierreihen, jedes Tier durch einen Lederriemen mit dem vorantrabenden verbunden.
»Du urteilst nach Menschenermessen«, erwiderte der Schützende Schatten knapp. »Yehwoh muss sich nicht nach unseren Erwartungen richten.«
»Trotzdem, mir wäre wohler zumute, wenn wir uns in der Nähe des Cedan halten würden.«
»Du weißt, dass das nicht geht, mein Freund.« Dieser Einwand kam von Felin. »Die Pilgerstraße verläuft hinter Beli-Mekesch noch ungefähr eintausendsiebenhundert Meilen weit am südlichen Cedan-Ufer entlang. Auf dieser Strecke gibt es noch einen schmalen, fruchtbaren Landstreifen zwischen der Wüste und dem Fluss. Erst knapp zweihundert Meilen vor Abbadon, der verfluchten Stadt, wechselt die Straße dann auf das andere Ufer über, um von dort direkt nach Ganor zu führen. Es wäre also schwer möglich, uns mit den ganzen Tieren hier ungesehen am Cedan entlangzumogeln. Außerdem schert sich der Strom nicht besonders viel um unseren Zeitplan.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn man den Fluss hinter Beli-Mekesch mit dem Schiff hinauffährt, dann muss man erst einen nordöstlichen Kurs
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